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Wäre ein „Europäischer Islam“ gefragt?

 

HINTERGRUND / OUVERTURE SPIRITUELLE / ISLAM

18/07/14 Sufi-Musik des Islam ist heuer ein Thema in der Ouverture spirituelle der Festspiele – laut Intendant Alexander Pereira ein „Zeichen in Zeiten, die nicht von Toleranz geprägt sind“. Das Herbert-Batliner-Europainstitut begleitet die Konzerte wieder mit einer Vortragsreihe, den „Disputationes“.

Inhaltlich geht es bei der einwöchigen Veranstaltungsreihe um die Kunst, Kultur, Wertvorstellungen und Spiritualität des Islam, nicht zuletzt auch um die Suche nach Befruchtungen zwischen den Kulturkreisen. Theologen, Philosophen, Komponisten und Politiker sprechen über den Islam im europäischen Gedächtnis und Wertesystem, seine Mystik, Gottestexte und Spiritualität, sowie über die Muslime des Balkans als „Herausforderung für Europa“.

Auf geistige Abhängigkeit und fehlende Reflexion gehe viel Unheil in der islamischen Welt und unter Muslimen zurück, hat Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster und einer der „Disputationes“-Vortragenden, vorab in der Wochenzeitung „Die Furche“ erklärt. Beispiele seien Selbstmordattentäter in Moscheen, das gegenseitige Absprechen des Glaubens zwischen Sunniten und Schiiten sowie die totale Opferbereitschaft Einzelner für die jeweilige Gruppierung. Das Resultat seien „geistige Sklaven“ und „verblendete Loyalitäten, durch die Menschen bereit sind zu töten, zu entwürdigen, zu diskreditieren, ohne zu wissen, warum“.

Mit einem unhinterfragten Folgen anderer würden Menschen die Chance verpassen, „Gott selbst kennen, lieben und ihm vertrauen zu lernen“, so der Islamexperte. Glaubensüberzeugungen könnten jedoch nicht bloß argumentativ vermittelt werden, da es bei ihnen stets um ganz persönliche Entscheidungen gehen müsse. Schließlich sei Religiosität keine rein rationale, sondern an erster Stelle eine emotionale Angelegenheit. Wo Erzieher Kinder mit physischer oder emotionaler Gewalt zu Religiosität zwingen wollten, würden sie hingegen „gleich mehrfach Verbrechen gegen diese jungen Menschen, ja, gegen den Islam selbst“ begehen und das Bild von Gott in den Köpfen „verstümmeln“, so der Islamforscher.

Im Westen habe sich das früher durchwegs positive Bild vom Islam erst ab der iranischen Revolution 1979 und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gewandelt, als ein „Ersatzfeind“ gefunden wurde. Das meinte der Münsteraner Arabist und Islamwissenschaftler Thomas Bauer jüngst in der Tageszeitung „Die Presse“.

Gewandelt habe sich jedoch auch im Islam die Grundhaltung gegenüber Mehrdeutigkeiten: Die klassische islamische Kultur sei äußerst „abiguitätstolerant“ gewesen und habe vieldeutige Lesearten des Korans sogar ausdrücklich als „göttliche Gnade“ begrüßt. Islamisten hätten dies „durch Ideologien nach westlichem Muster“ ersetzt: Als im 19. Jahrhundert in Europa Widersprüche als quälend galten und Ideologien entstanden, habe sich auch für die islamische Welt die Alternative gestellt, „westliche Ideologien zu übernehmen oder sich mit einer eigenen Ideologie dagegen zu behaupten“, erklärt Bauer.

Ist Österreich gut dran, weil es in Österreich das Islamgesetz von 1912 gibt? Andere Länder würden uns darum beneiden, sagt Batliner-Institutspräsident Erhard Busek: Österreich habe damit geregelte Beziehungen hergestellt und somit dem Land viele Spannungen und Konflikte erspart, so der Ex-Vizekanzler in der „Furche“. Bei heutigen Problemen wie etwa der Minarett-Frage gehe es vorrangig um kulturelle Akzeptanz, für deren Erreichen die Rede allein von Toleranz zu wenig sei: Muslime spielten längst eine wesentliche Rolle im täglichen Leben Europas, und ihre Kultur wirke schon geschichtlich lange und auch tiefgreifend.

Nötig im Interesse aller und von vielen Muslime ohnehin gewollt sei die Entwicklung eines europäischen Islam, wofür Busek „Verständnis und Einfühlungsvermögen“ einforderte. Gelingen könne dies durch eine „vitale Auseinandersetzung mit dem Erscheinungsbild, durchaus auch mit einigen inneren Entwicklungen“ - nicht durch ein Vorurteile-Sammeln, sondern durch Wissenserwerb und Auseinandersetzung. Busek: „Die Gefahr ist groß, dass wir die inneren Werte des Islam nicht erkennen, weil manches am äußeren Erscheinungsbild nicht immer verstanden wird bzw. auch in der Konsequenz von Aggression und Terrorismus nicht akzeptabel ist.“ (Kathpress)

Das Programm der "Disputationes 2014" zum Download
Bild: Herbert-Batliner-Europainstitut

 

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