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Abgründe des Krieges

FESTSPIELE / PHILHARMONIA ORCHESTRA / SALONEN

10/08/14 Die britischen Gäste umkreisten in ihrem zweiten Festspielkonzert die Weltkriegsanfänge vor hundert bzw. vor 75 Jahren. Diesmal unter der Leitung ihres Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen begeisterten sie mit Werken von Strauss, Berg und Ravel. Als Solisten mit dabei Cellist Maximilian Hornung und Bratscher Lawrence Power.

Von Horst Reischenböck

1945 vor allem als Orchester für Plattenaufnahmen gegründet, bot das Philharmonia Orchestra etwa Herbert von Karajan vor dessen Amtsantritt in Berlin Möglichkeiten zu aufhorchen machenden Einspielungen. Ein Orchester mit Geschichte.

Seit sechs Jahren jedenfalls ist der Finne Esa-Pekka Salonen der Chefdirigent: selbst Komponist und nicht zuletzt von dieser Warte aus auch ein Spezialist für Musik des 20. Jahrhunderts. Das belegen zusammen mit anderen Klangkörpern, wie dem Orchestre Philharmonique de Radio France eingespielt, Werke von Henri Dutielleux oder als Conductor Laureate der Los Angeles Philharmonic Witold Lutoslawskis Sinfonien. Maßstäbliche Aufnahmen mit der London Philharmonia wiederum beziehen sich auf Wien um 1900: Arnold Schönbergs „Gurre Lieder“ oder die Sinfonien Nr. 6 und 9 von Gustav Mahler.

Das Konzert im Großen Festspielhaus stand unter dem Titel „Musik am Abgrund“. Da passte Jahresregent Richard Strauss mit seinem „Don Quixote“ op. 35 vom Entstehen her gerade noch so in etwa hinein. Mag darin ja vielleicht aus der zeitlichen Distanz heraus auch in gewisser Weise so etwas wie eine ironische Betrachtung des damals auftrumpfenden wilhelminischen Militarismus gefunden werden: Wie viele hoch dekorierte Kriegshelden entpuppten sich bei näherer Betrachtung posthum doch als „Ritter von der traurigen Gestalt“.

Was alles Salonen aus dem geforderten vollen Instrumentalaufgebot schürfte! Die Detailarbeit machte aufhorchen. Vom kurzen Anklingen an Mahlers Tonwelt in der Introduction, über das einmal wahrhaft ätzend ausgespielt bitonale Blöken der Schafe seitens der phänomenalen Holzbläser bis hin zu der „Fafner“-Tuba und hinein in den erschütternden Trauermarsch für den resignierenden „Helden“.

Ich erinnere mich noch, wie einst der grandiose Mstislaw Rostropovich zu Karajans Dirigat den „Don Quixote“ am selben Ort gestaltete: auf seine persönliche Weise mindestens genauso ausdrucksstark, tonschön nun der junge Deutsche Cellist Maximilian Hornung als Don Quixote durch alle ihm aufgetragenen Variationen hindurch, bis in die Pizzikati hinein wach korrespondierend mit Lawrence Powers satt voluminöser Viola als Diener Sancho Pansa im Hintergrund. Eine großartige Darstellung, langanhaltend bejubelt.

Nicht zu vergessen übrigens die Violinbeiträge des – im Programmheft ungenannten – Konzertmeisters, der auch hier bei uns in bester englischer Tradition seit Johann Peter Salomon zum jeweiligen Auftritt Sonderapplaus entgegennehmen durfte.

Welche Affinität Salonen zum Schönberg-Schüler Alban Berg eignet, war nach der Pause dann an dessen drei Orchesterstücken op. 6 zu erfahren. Der Marsch an letzter Stelle lässt nun tatsächlich so etwas wie das unmittelbar bevorstehend grauenhafte Geschehen des 1. Weltkriegs erahnen. Erschreckender Kulminationspunkt die Handvoll nicht nur dynamisch erschütternder Hammerschläge, um drei mehr gesteigert als in Mahlers Sechster. Spontane Bravo-Rufe in den letzten Ton hinein zeugten zwar von wenig innerer Erschütterung im Auditorium, dünkten jedoch nachvollziehbar.

Maurice Ravels klingende Reverenz vor Wien, sein Tanzgedicht „La Valse“, war im Anschluss daran eine logische Fortsetzung, bei der sich Salonen und das prächtig mit der Schlagwerkbatterie harmonierende Blech nach süffig ausgekostetem Streicherklang zuletzt selbst in einen ekstatischen Tempo-Wirbel hinein peitschte. Die solcherart aufgeheizte Stimmung kalmierte er dann mit der bedauerlich kurzen Zugabe des stimmungsvollen „Le jardin féerique“ aus Ravels „Ma mere l'oye“.  

Bild: SFS/Silvia Lelli

 

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