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Alles, was gesagt wird, wird später noch gesungen

HINTERGRUND / FESTSPIELE / FIDELIO

02/08/15 Lange, so sagt Regisseur Claus Guth, habe er einen Bogen um Beethovens „Fidelio“ gemacht. „Die Oper stürzt oft ab in extreme Banalitäten. Ich hatte Sorgen, wie man umsetzen kann, dort wieder heraus zu kommen“, sagt er dieser Tage in einem Pressegespräch.

Von Anne Zeuner

Deutsches Singspiel, Befreiungsoper, oratorienhafte Züge: Neun Jahre hat Beethoven an seiner einzigen Oper gearbeitet. „Schwierig? – Ja, da gebe ich Ihnen Recht“, sagt Dirigent Franz Welser-Möst. „Für mich ist es schwierig, weil das Werk eine Vision ist. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Liebe – mehr als zweihundert Jahre später sind diese zentralen Begriffe der Oper noch immer visionär“, sagt Welser-Möst. „Ich beneide keinen Regisseur, der das in Bilder umsetzen muss. Die größte Herausforderung ist, das Visionäre spürbar zu machen.“

Claus Guth hat sich schließlich entschlossen, das Material ein bisschen in die Ferne zu rücken. Dabei sei ihm bewusst geworden, dass man die Dialoge ohne Informationsverlust streichen könne (einen ähnliche Lösung ist man übrigens im Salzburger Landestheater gegangen, wo „Fidelio“ in der vergangenen Saison produziert wurde): „Alles, was im gesprochenen Wort gesagt wird, wird später noch gesungen“, sagt Claus Guth. Der Regisseur will dem Publikum viel Raum für Assoziationen lassen. Auch das Bühnenbild von Christian Schmidt soll das vermitteln. Jeder der Charaktere sei gefangen, der Weg werde immer wieder versperrt. Ein schwarzer Kubus symbolisiere die Undurchdringlichkeit, lasse eben aber auch Raum für andere Interpretationen. Durch die Streichung des gesprochenen Textes wolle er möglich machen, dass das Publikum zum genaueren Hinhören motiviert werde und es die Gesangsnummern „als wertvolle kleine Inseln“ begreifen könne.

Außerdem gebe es da ja noch die praktische Schwierigkeit, dass Sänger einfach nicht ausgebildet seien, um zu sprechen, bekräftigt Franz Welser-Möst. Die Sprechstimme sei eine ganz andere als die Singstimme. „Ich habe schon einige Aufführungen gesehen, die am Rande der Peinlichkeit waren“, erinnert er sich. Ohnehin habe Beethoven in einem Brief geschrieben: „Macht mit dem Text, was ihr wollt.“ Auch der Tenor Jonas Kaufmann wird nach eigener Aussage die „hausbackenen“ Dialoge nicht vermissen – wobei er als Florestan „sowieso nur fünf Sätze“ zu sagen habe.

Wie oft Jonas Kaufmann schon im Fidelio zu sehen war? Das weiß er so genau gar nicht zu sagen. Das erste Mal sei in Stuttgart gewesen, damals habe er den Jaquino gesungen. „Da habe ich noch nicht einmal zu träumen gewagt, dass der andere in Frage kommen würde“, sagt Kaufmann. Der Florestan ist zugleich eine der kürzesten Rollen, die man als Tenor singen könne, aber eben auch eine der schwierigsten. Die Arie, die Florestan kurz vor seinem Tod anstimmt, gelte als unsingbar. „Es ist beeindruckend, wie Beethoven den Zuschauer an die Hand nimmt und die Finsternis hörbar macht“, sagt der Tenor. „Und dann ein innerer Schrei der Seele, der nach über drei Minuten Intro eher überraschend kommt.“ Beethoven sei nicht unbedingt sängerfreundlich gewesen, er habe die Stimme eher wie ein Instrument behandelt, sagt Jonas Kaufmann. Aber das müsse nichts Negatives sein, es könne ja auch als Mühsal und Schwierigkeit zu deuten sein. Schließlich sei Florestan ein chancenlos Verlorener, seit Jahren eingesperrt und gefoltert. Jonas Kaufmann lässt sich übrigens nicht so leicht einsperren – obwohl er sich in Salzburg „pudelwohl“ fühle, möchte er im kommenden Jahr eine Pause einlegen und den Sommer mit einer Tour durch Südamerika verbringen. „Aber er komme sicher in einem anderen Jahr wieder“, sagt er.

Der „Fidelio“ wird in ORF 2 live übertragen, aber nicht die Premiere (die gibt es live nur als Ton am 4. August in Ö1), sondern eine Folgeaufführung am 13. August. Bis zu elf Kameras stehen dem Bildregisseur Michael Beyer zur Verfügung. Bei den aktuellen Proben sind Drehbuch und die Schnittvorlage für die mediale Aufbereitung entstanden. Größte Herausforderung der Inszenierung seien der starke und atmosphärische Einsatz von Licht und Schatten sowie die Beziehung der Figuren und ihrer Schatten, erklärt Michael Beyer. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz weist auf ein Jubiläum hin: „Vor 60 Jahren wurde der Fidelio zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper gespielt – das war die erste Live-Opernproduktion, die im Fernsehen übertragen wurde.“ Ö1 sendet heuer insgesamt 21 Konzerte und Opern aus Salzburg.

„Fidelio“ hat am 4. August um 19.30 Uhr im Großes Festspielhaus Premiere, weitere Vorstellungen sind am 7., 10., 13., 16. und 19. August – www.salzburgerfestspiele.at
Hörfunkübertragung der Premiere live in Ö1. Die Aufführung am 13. August wird direkt von ORF 2 übertragen und ist auch auf dem Festspielnächte-Screen auf dem Kapitelplatz zu sehen.
Bilder: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

 

 

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