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Diesmal ein fast mürrischer Grübler

FESTSPIELE / GRIGORY SOKOLOV

02/08/15 Könnte sein, dass in den nächsten Tagen in Salzburg und Umgebung kurzfristig kein Psychiater-Termin mehr zu ergattern ist: Grigory Sokolov war da und hat Schubert gespielt...

Von Reinhard Kriechbaum

Und was für einen Schubert! Keine von jenen Sonaten, die mit schmeichlerischen Motiven daherkommen (und die obligaten Abgründe vordergründig zudecken mit tänzerischen Motiven), sondern eine der tristeren Art, von der Pianisten gemeinhin die Finger lassen: jene Sonate in a-Moll op. post. 143 D 784, die eher für den suchenden, selbstzweiflerischen, besonders trübsinnigen Schubert steht. Grigory Sokolov war am Samstag (1.8.) im Großen Festspielhaus absolut nicht willens, mit aufheiternden Farben nachzubessern. Mithin blieb nicht nur das Allegro giusto des Eröffnungssatzes seltsam verborgen hinter den breiten Akkorden, die sich aneinander schieben. Wahrlich kein Grund zum übermütig Werden.

Nur Kürzest-Beifall hat Grigory Sokolov danach zugelassen und sich sofort wieder hingesetzt für die Sechs Moments musicaux op. 94 D 780, und – das war nun doch verblüffend – auch da war kaum einmal eine Passage, die ein befreiendes Lächeln auf die Gesichter der Zuhörer geworfen hätte. Ernst, nach innen gekehrt kamen diese oft genug als joviale Zugaben hergenommenen (und damit vielleicht auch missbrauchten?) Stücke daher, fast ein wenig mürrisch von einem notorischen Grübler aus den Tasten gestanzt. Ich gebe zu: Ich habe zu diesem Schubert an dem Abend keinen Zugang gefunden und die Unruhe im Publikum schien anzuzeigen, dass es anderen auch so gegangen ist.

Müsste man dem Abend als Ganzes ein Motto geben, käme man vielleicht auf das Stichwort „Gedankenexperimente“. Mit Bach hat das angefangen, mit der Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825: Wie weit ist Bach doch in der Sarabande hinausgegangen über die Tanz-Muster, wie eisern und zwingend hat Grigory Sokolov dieses Aufbrechen der Perioden mit konsequenten Endlos-Trillern deutlich gemacht (und sich dafür sogar Rubati erlaubt, die er bei Bach äußerst sparsam einsetzt). Natürlich ist Sokolov, der Meister oft unglaublich idiomatischen Klanges, auch beim Klavier-Bach auf der Suche nach dem Chroma: Fast metallen lässt er das Menuet II klingen, und auch in der Gigue modelliert er die harmonischen Quer-Gänge wie mit einer Orgel-Mixturstimme heraus.

Warum nach Bach Beethovens frühe Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op.10/3? Vielleicht will uns Sokolov mit der Nase stubsen auf den Umstand, dass Beethoven in diesem Werk an die barocke Tokkaten-Technik anknüpft, weniger mit Themenverarbeitungen arbeitet, sondern auf dass erfindungsreiche Verknüpfen von Gedanken setzt? Nein, zu jovialem Entgegenkommen aufgelegt war Sokolov auch da nicht. Was er an Energie im „largo e mesto“ aufgebaut hat, war schon fast furchterregend. Da hat man verstanden, wozu danach das schlichte Menuett danach gut ist. Auch als Hörer muss man sich da erst wieder einkriegen.

Es waren wieder Mikrophone aufgebaut, aber Grigory Sokolov ist bekanntermaßen extrem selbstkritisch, kaum etwas gibt er frei. Dieses Konzert wird vermutlich vor ihm selbst nicht durchgehen.

Ach ja, die Zugaben: Schon auf die Mitternachtsstunde zu gab's endlich Chopin, auf den Schubert hin eine Walzer-Auswahl mit Moll-Drall.

Bei DG ist in diesem Frühjahr ein Live-Mitschnitt von Grigory Sokolovs Salzburg-Recital 2008 erschienen, mit zwei Mozart-Sonaten, Chopin-Préludes, zwei Mazurken und natürlich dem obligat üppigen Zugabenteil: www.deutschegrammophon.com
Bild: Salzburger Festspiele /Artists Management Company;Franco Panozzo

 

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