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The Beggars Musical ist keine drei Groschen wert

FESTSPIELE / MACKIE MESSER

12/08/15 Drei Groschen. Darüber wären sie froh, die armen Teufel aus Rumänien, die jeden Tag in Salzburg im Festspielbezirk auftauchen. Gut organisiert sind sie, und so kniet vor wirklich jedem Eingang einer oder eine. Dass von den Reichen und Schönen einer schon die Geldbörse gezückt hätte, war in den vergangenen drei Wochen nicht zu beobachten. Smoking und Abendkleid schützen vor der Versuchung zur Wohltätigkeit.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Bettler in der Felsenreitschule sind pingelig und detailverliebt ausstaffiert. Viel echter als die echten, armselig aufs Kostbarste. Man lässt sich in Salzburg ja nicht lumpen, schon gar nicht wenn's um Lumpenpack auf der Bühne geht. Julian Crouch, der englische Ausstattungszauberer (der seit drei Jahren auch für den „Jedermann“ mitverantwortlich ist) hat aus dem Vollen schöpfen dürfen. Schon die Moritat am Beginn wird in jeder einzelnen Arkade der Felsenreitschule zum Schattenspiel, Wort für Wort mit Scherenschnittfiguren umgesetzt. Messer, Hunde, alles da, und der Haifisch hat nicht nur Zähne, sondern ist gleich im Fischschwarm unterwegs. Ein London aus viktorianischer Zeit in Form putziger Miniatur-Papphäuschen wird bei Bedarf blitzschnell herbeigetragen und wieder weggeräumt. Auch die Wohnung der Peachum sieht auch aus, als ob ein Falt-Bilderbuch aufgeschlagen würde.

Ziemlich plan ist das, und man wird auf Stunden den Verdacht nicht los, dass das Eindimensionale Leitmotiv ist in dieser absonderlichen Aufführung, die man schier nicht glauben würde, hätte man sie nicht mit eigenen Augen gesehen.

Und vor allem mit eigenen Ohren gehört. Versprochen ist ja eine besondere, eine „Salzburger“ Dreigroschenoper. Das könnte man nach den Erfahrungen mit Sven-Eric Bechtolf als gefährliche Drohung auffassen. Was Brecht angeht, haben wir's ganz schnell: Es wird kreuzbrav und lautstark deklamierend „Dreigroschenoper“ gespielt, mit kindlicher Naivität den Text entlang, mit prallen Personenkarikaturen so derb wie platt. Diese Komponente des Abends darf man wohl Sven-Eric Bechtolf zuschreiben, der sich selbst im Lauf des Frühjahrs als Co-Regisseur ins Team gebracht hat. Lustig soll's sein, wie meistens bei Bechtolf. Und kommt hier doch nicht vom Fleck.

Das darf man allerdings nicht ganz allein ihm ankreiden, da spielt schon auch die Musik arg mit. Die strenge Rechte-Wahrerin des Komponisten, die Weill Foundation, ließ ins Programmbuch schreiben: „Einmalige Experimentalfassung in der musikalischen Adaption von Martin Lowe.“ Der Engländer Martin Lowe, ein Musical-Spezialist vom Londoner West End („Mamma Mia!“ war sein Meisterstück, in Salzburg ist er seit drei Jahren für die „Jedermann“-Musik zuständig), hat sich also über Weills Noten hergemacht. Melodien sind oft stehen geblieben, aber sonst ist nicht nur das Partiturgewand gewechselt, sondern die Art der Musik grundsätzlich. Jene von Lowe quillt dicklich aus dem Orchestergraben, sie ist überladen mit Schnörkseln und mit Blech-Verfettungen: Postmoderne und Pop-Banalitäten in fatalem Schulterschluss, der nur auf die Ohren drückt. Da heißt es dann: Verstärker aufdrehen, damit man die Schauspieler überhaupt hört. Schlecht zu verstehen sind die Songtexte, aber es kennt sie glücklicherweise eh jeder. Irgendwelche Zwischentöne? Sie kommen, so vorhanden, akustisch unter die Räder.

Man darf die Schauspieler/Sänger fairerweise nicht verurteilen: Sie stehen auf verlorenem Posten. Peachum (Graham F. Valentine) wird uns als alter Jude vorgeführt, Sierk Radzei als larmoyant-verweichlichter Brown. Im raschen Wechsel zwischen naiv und keck kann Sonja Beisswenger ein klein wenig mehr aus ihrer Rolle herausholen als die anderen, die samt und sonder oberflächliche, eindimensionale Typen bleiben. Das gilt für Sona MacDonald (Spelunkenjenny) ebenso wie für Pascal von Wroblewsky (Frau Peachum). Für die Bettlergruppe sowieso. Witzig schon, wenn Lucy (Miriam Fussenegger) mit Polly, beide in Krinolinen, um Macbeath rangeln. Dieser Mackie Messer ist Michael Rotschopf. Man hat ihn, aus welchen Gründen immer, dazu angehalten, dieser Figur die Züge eines Dandys zu geben.

Gleich zwanzigköpfig ist das Team von Statisten und Sub-Schauspielern. Schließlich ist ja viel Raum zu füllen, die Pappwände sind zu bewegen, man muss über die Bühne und durch die Arkaden laufen und gelegentlich ein paar überdimensionale Puppen bauen. Wenn der berittene Bote kommt und Macheath vor dem Galgen rettet, stülpen sich die zwanzig Statisten Pferdeköpfe über. Ein Rossballett hat ja noch gefehlt bis dahin.

Die dann doch recht zähflüssig erzählte Bildgeschichte kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein Theater bar jeder Gedanken, sondern nur Schüttwerk aus losen Einfällen ist. So kopflos wie die stummen Diener bei Pechum. Kaum Publikumsreaktion zwischendurch, und ganz ohne Applaus ging's bei der Premiere in die Pause. Am Ende erstaunlicherweise Jubel, durchsetzt mit vielen nicht gar so lauten Unmutsäußerungen. Die Publikumsmehrheit scheint sich in der Luft marginalisierter Intellektualität im Schauspiel der Festspiele inzwischen so recht daheim zu fühlen.

Aufführungen bis 27. August in der Felsenreitschule – www.salzburgerfestspiele.at Wer es doch lieber mit Weills Originalmusik und ohne hyper-dekorative Szene versuchen möchte: Am 15. August gibt es am selben Ort eine konzertante Aufführung mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von HK Gruber
Bilder: Salzburger Festspiele / Ruth Walz

 

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