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Diese Musik meidet das Spektakel

FESTSPIELE / IPHIGÉNIE EN TAURIDE

20/08/15 Das Leben ist rau – im Klang des eigentümlich verdeckten Orchesters, in den Stimmen der Protagonisten, an der See, die am Schluss in unheimlicher Dünung durch das halb geöffnete Garagentor wogt, nachdem sie in den Zwischenaktmusiken geisterhaft flackerte. Was bleibt sind dieses rostige Garagentor, die Eisenbetten, eine trostlose Wasserstelle.

Von Erhard Petzel

Zur Ouvertüre eingespielte Helikopter-, Detonations- und Donnerklänge und dieses Bühnenbild, korrespondierend mit dem disparaten Textilfundus der Priesterinnen, rufen unsere Asyldebatten auf. Das passt und hinkt. Iphigenie und Co waren göttlicher Sondertransport und sind als Asylantinnen hervorragend integriert – mit einem Job, den man nicht wollen kann. Entsprechend leiden sie in der unfreiwilligen Ferne.

Wiederaufnahme-Premiere von Glucks Oper „Iphigénie en Tauride“, der bejubelten der Produktion der Pfingstfestspiele im Haus für Mozart mit teils neuer Besetzung: Es ist der ausgeklügelte Minimalismus, der die Wirkungsebenen dieser Aufführung intensiv zueinander führt und das Werk Glucks zwingend zu dem verdichtet, was man als sein Vermächtnis annehmen darf. Da dürfen auch die Ballette gestrichen sein, damit es in einem Zug durchgeht. Der deplatzierte Versuch eines Applauses nach der ersten Arie des Pylades, wohl um vermeintlich Villazón gerecht zu werden, erstickte im Keim. Nach der Pause ließ sich ein Szenenapplaus für Bartoli nicht unterdrücken, leider.

Denn Glucks Kunst der intensiven Sparsamkeit in der Musik meidet das Spektakel. Sie findet in der Personenführung ihr Pendant. Bewegung gibt es dort, wo unbedingt nötig, dafür punktgenau. Christopher Maltmans verstörten, von Selbstzweifel zerfleischten und zu Tode frustrierten Orest spürt man in sich wieder. Nicht einmal die kosende Berührung des lieben Freundes erträgt er.

Mit Rolando Villazón, der Topi Lehtipuu von Pfingsten ablöste, kommt es in den Kernszenen zu beziehungsstarken Pas de deux, in die schließlich Bartolis stimmungsintensive Iphigenie einbrechen wird.

Auch stimmlich kann Villazón seine Lust an dramatischer Gestaltung in stilistisch kontrollierter Weise ausleben. Michael Kraus verleiht seinem Thoas einen sonoren Bariton. Das ganze Ensemble füllt Klang und Raum. Und Maltman darf überwältigen. Seinem Bekenntnis, dass Friede sein Herz beherrsche, widersprechen I Barocchisti unter Diego Fasolis mit einem fliegenden Herzrhythmus und dem elementaren Elend im Klageton der Oboe. Gleich anschließend die mitreißende Furienszene als Höllentraum.

Den Gipfel an Innigkeit erreicht er nackt am Boden kauernd. Was anderswo obligatorischer Eros-Aufputz ist, wird hier zur Notwendigkeit des Opferhelden, wenn das Gelingen dieser höchsten dramatischen Wirkung auch der verklärt weichen Stimme und der athletischen Erscheinung Maltmans geschuldet ist.

Welch irrer Kontrast dazu Rebeca Olvera als übergoldetes Playgirl, das augenscheinlich deshalb als keusche Diana einbricht, damit es zum Schluss kommt. Tatsächlich fällt diese Figur ja auch dramaturgisch heraus, wenn sie den Skythen vorwirft, nach zeremoniell aufgetragenen Serienmorden ihr Heiligtum entweiht zu haben. Das hätte sich wohl kein anständiger Skythe bieten lassen, und eine befriedigende Schlussformel (wie z.B. die Installierung der Demokratie durch Athene) ist es auch nicht. Da dürfen Regie (Moshe Leiser/Patrice Caurier), Bühne (Christian Fenouillat) und Kostüme (Agostino Cavalca) schon etwas verfremden und ihre obligaten kleinen Buhs innerhalb des frenetischen Applauses abholen.

Aufführungen am 22., 24, 26. und 28. August - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

 

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