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Von null auf hundert?

HINTERGRUND / CORONA / LOCKERUNG

03/06/20 „Das Kulturland ist erschreckend still geworden“, hieß es am Dienstag (2.6.) in den Salzburger Nachrichten. Nach einem Feiertags-Wochenende, an dem eigentlich die Pfingstfestspiele hätten stattfinden sollen, ein grundsätzlich richtiger Befund. Die Schelte freilich haben jene Kulturschaffenden abbekommen, die absolut nichts dafür können.

Von Reinhard Kriechbaum

Dass ein Konflikt aufbricht zwischen der SN-Kulturressortleiterin Hedwig Kainberger und der lokalen Kulturszene, für die sich als erste Literaturhaus-Chef Tomas Friedmann und der Leiter des Off-Theaters, Alex Linse, ins Zeug legten, lässt natürlich nach Hintergründen fragen. Warum ausgerechnet jetzt, da man die Türen wieder öffnen kann und der „Betrieb“ allmählich eh wieder in Gang kommt?

Was medial so gut wie nicht kommuniziert wurde: Mit dem Shutdown sind ja nicht nur Kulturschaffende von heute auf morgen auf Null gesetzt worden. Auch so gut wie alle Printmedien haben ihre Redakteure (nicht nur jene des Feuilletons) in die Kurzarbeit geschickt. Selbst die Kulturredakteure des ORF sind bis jetzt in Kurzarbeit, was dieser Tage erst die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger mit gutem Grund bekrittelte.

Wie wenig man über Kultur schreiben kann, zeigt ein Blick in die heutigen Salzburger Nachrichten: Die eine verbliebene Kulturseite im Großformat ist gut zur Hälfte mit einem Iserat gefüllt – Kultur ist, was an Rest-Zeilen bleibt. Im Lokalteil ist der Ausbau des Dachbodens im Keltenmuseum vier Spalten wert, das Nicht-Erlauben des Kunsthandwerksmarktes Salzach-Galerien einen Zweispalter und – drei Spalten bemerkenswerter Weise – das Doch-Stattfinden der Festspiele Golling. Über Prioritäten-Setzung lässt sich in der Kultur immer trefflich streiten.

Dass unter kurzarbeitenden Kulturjournalisten die Gier nach Kultur jetzt übergroß ist, muss man wohl verstehen. Traurig wär's, wenn nicht. Ach wäre doch der Veranstaltungskalender augenblicklich so gut befüllt wäre wie noch Anfang März. Geht aber nicht – aus Gründen, die Tomas Friedmann in seinem offenen Brief anspricht. Abdrehen geht schneller als Wieder-Hochfahren, das gilt nicht nur für Wirtschaftsbetriebe.

Nicht übersehen darf man auch – auch darauf weist Tomas Friedmann zurecht empört hin – das Bemühen vieler Kulturschaffender, in den vergangenen zweieinhalb Monaten auf alternative „Vertriebskanäle“ umzusteigen. Viel Produktives ist online im Kleinen geschehen. Aber es war ja jede Probenarbeit, ja sogar das Zusammenkommen von Menschen, die nicht in einem Haushalt wohnen, unterbunden. Was sich unter anderem gezeigt hat in vielen, vielen Youtube-Veröffentlichungen: Einigermaßen befriedigend filmen kann man unterdessen sogar mit besseren Smartphones. Ein fast unüberwindliches Problem aber ist der Ton, der Theaterschaffenden ebenso zu schaffen gemacht hat wie der Musikbranche.

Was jetzt also? Das Hochfahren braucht Zeit. Das geht nicht von einem Mittwochnachmittag (da wurden die Lockerungen in einen Erlass gegossen) bis zum darauffolgenden Pfingstwochenende. Ein Maurer verlernt in ein paar Wochen das Maurern nicht, ein Verkäufer nicht das Verkaufen. Schauspieler behalten zwar auch die Fertigkeit des Schauspielens, aber Kultur ist in den meisten Fällen Teamarbeit, und die setzt Proben voraus. Das war die schmerzlichste Einschränkung in den vergangenen Monaten.

Was den konkreten Krach zwischen Kulturszene mit den Salzburger Nachrichten und ihrer Kulturchefin angeht: Es war ein komisches Zusammentreffen. Im Leitartikel wurden der Kulturszene eine mehr als bescheidene Kirchenmusik einerseits, die Festspiele andrerseits als leuchtende Vorbilder hingehalten, also Kraut mit Rüben oder Äpfel mit Birnen verglichen. Das haben weder die vielen freien Künstlerinnen und Künstler noch die Kirchenmusiker und die Festspiele schon gar nicht verdient. In der gleichen Ausgabe fand sich die nette Glosse eines pensionierten Kulturredakteurs, der sich über spontane Livemusik im Wirtshaus ehrlich gefreut hat. Und im Lokalteil: Volksmusik im Freilichtmuseum, „Polkas und Märsche vor dem Mesnerhaus“. Da spielte also das echte Kulturleben!

Irgendwie ist's kein Wunder, dass das bei vielen Kulturschaffenden nach Wochen existenzieller Krise als echter Fußtritt angekommen ist.

Zum offenen Brief von Tomas Friedmann
Die heimische Kulturszene pauschal verunglimpft

 

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