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Komponist – mit Farbe und Leinwand

FRIEDRICH CERHA / 90. GEBURTSTAG / KUNSTMEILE KREMS

17/02/16 „Friedrich Cerha war für mich der Ohrenöffner zur Neuen Musik“, sagte der inzwischen verstorbene Hans Landesmann über den Komponisten. Friedrich Cerha, Ohrenöffner für viele, feiert heute Mittwoch (17.2.) seinen 90. Geburtstag. Was die wenigsten wissen: Der Komponist blickt auch auf ein vielschichtiges Oevre als Maler.

Von Heidemarie Klabacher

99 Kompositionen Cerhas – vom Divertimento für acht Bläser und Schlagzeug aus 1948/54 bis zur Vokalise für Sopran und drei Klarinetten aus 2014 - listet der Musikverlag Universal Edition auf. Neunhundert Objekte umfasst das bildnerische Werk Cerhas im „Archiv der Zeitgenossen“. Das ist die Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe an der Donau-Universität Krems. Zum 90. Geburtstag zeigen das Forum Frohner und das Archiv der Zeitgenossen auf der Kunstmeile Krems die Ausstellung „Friedrich Cerha. Sequenz & Polyvalenz“.

Seit den Fünfzigerjahren, parallel zum musikalischen Schaffen hat, setzt sich Friedrich Cerha also nicht nur mit Notenpapier und Bleistift, sondern – im weitesten Sinne – auch mit Farbe und Leinwand auseinander.

Die Oper „Baal“ – am 7. August 1981 im „Kleinen Festspielhaus“ von den Wiener Philharmonikern unter Christoph von Dohnányi in der Inszenierung von Otto Schenk uraufgeführt – liegt in zwei Fassungen vor. Der Baal-Stoff hat Friedrich Cerha freilich nicht nur in den Kompositionsjahren 1974 bis 1980 beschäftigt. Bereits im Jahr 1964 entstand das Relief „Baals Frauen“.

„Ich habe einen Baal-Kopf gemalt – auf Holz. Frontal stiert er den Beschauer an. Große Nägel bohren ‚violetten Himmel’ in seine Schläfen, die Schrauben seiner Fangzähne warten darauf, sich und andere ‚auszuleben’, die Zahnräder seiner Brustwarzen mahlen nach vorn, an unsichtbaren, unersättlichen Antriebsachsen… Ich bin ihm sehr zugetan, diesem Baal. Ich sähe ihn gern als Zwischenvorhang oder auf dem Umschlag der Noten. Aber man wird ihn nicht haben wollen: Er ist nicht angenehm, er ladet nicht zum Konsum einer Oper ein, er ist ‚gesellschaftlich nicht verwertbar’… So war es denn auch… Ein anderes Bild: ‚Baal und seine Frauen“, ebenfalls auf Holz – fast ein Relief. Es hängt seit einigen Jahren im Freien. Die Farben springen, blassen aus, das Holz verwittert, es wird naturähnlich: Baal sinkt, Baal löst sich auf.“ Das schrieb Friedrich Cerha im August 1968, nachzulesen ist es in seiner Werkeinführung auf der website der Universal Edition.

Wie spannend, dem Baals-Motiv Jahrzehnte später quasi leibhaftig in seiner „bildnerischen“ Ausprägung zu begegnen. Ja, die Farben sind verblasst (das Werk inzwischen der Obhut des „Archivs der Zeitgenossen“ wird wohl kaum mehr im Freien hängen). Aber die Dynamik der Bewegung und das Brodeln der zentimeterdick zum Relief aufgetürmten Farben und die latente Gewalttätigkeit sind noch immer mitreißend.

„Plastizität wird ebenso durch den Einsatz von Fundstücken generiert wie durch einen materialhaften Zugang zur Farbe“, heißt es auf Kuratorendeutsch, wenn sich etwa rostige Schlüsselbretter, Torband-Schrauben oder Uhrzeiger auf der Leinwand finden – und die „Leinwand“ selber von vermutlich einem alten Türblatt gebildet wird: Es ist eine ironisch-spielerische Qualität, die etwa aus zwei Arbeiten „ohne Titel“ aus 1964 und 1988 spricht.

Friedrich Cerha, 1926 in Wien geboren, hat schon 1935 erste Kompositionsversuche unternommen. Er wurde 1943 als Luftwaffenhelfer in den zweiten Weltkrieg einberufen, desertierte 1945 auf einem Transport nach Deutschland, nahm Kontakt zum dänischen und deutschen Widerstand auf und lebte bis zum Kriegsende als Hüttenwirt und Bergführer in Tirol. 1946 ging es musikalisch weiter an der Akademie für Musik in Wien. 1956 bis 1958 nahm er an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil, 1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das Ensemble „die reihe“. 1978 gründete er mit Hans Landesmann im Wiener Konzerthaus den Zyklus „Wege in unsere Zeit“, den er bis 1983 leitete. Eng ist Cerhas Verbundenheit mit dem Klangforum Wien, dessen Präsident er bis 1999 war.

Von Friedrich Cerha ist die spielbare Fassung des 3. Akts der Oper „Lulu“ von Alban Berg, die 1979 in Paris uraufgeführt wurde. „Baal“ wurde 1981 bei den Salzburger Festspielen, „Der Rattenfänger“ 1987 beim Steirischen Herbst und „Der Riese vom Steinfeld“ 2002 an der Staatsoper Wien uraufgeführt. Friedrich Cerha ist Träger zahlreicher namhafter Preise und Auszeichnungen.

Aus den Grußadressen zum Neunziger auf der website der „Universal Edition“ sei Christoph von Dohnányi zitiert, der Dirigent der Salzburger Uraufführung von „Baal“: „Cerha, ein Leben für die Musik und nicht nur für die Seine. Kein Mann für die Gazetten. PR ist seine Sache nicht. Nichts überlässt er dem Zufall, so scheint es. Cerha weiß, erarbeitet und hört, was er schreibt. Sein Werk wird vieles musikalischer Kurzfristigkeiten heutiger Musik überdauern. Friedrich Cerha, einer der großen und bedeutenden Komponisten unserer Zeit.“

Friedrich Cerha. Sequenz & Polyvalenz: Forum Frohner Kunstmeile Krems - bis 28. März - www.kunsthalle.at
Bilder: Hertha Hurnaus/Archiv der Zeitgenossen (1); Gregor Graf (3)

 

 

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