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Sehnsuchts- und Hoffnungsort Kino

FILMKRITIK / FALLENDE BLÄTTER / KAURISMÄKI

20/10/23 Nach langem Spätsommer fallende Temperaturen, kürzer werdende Tage und ein renoviertes Das Kino bieten die ideale Bühne für einen der schönsten Filme des heurigen Kinoherbstes: Fallende Blätter von Kultregisseur Aki Kaurismäki.

Von Andreas Öttl

Schon das Plakat, welches im typischen Stil des Regisseurs ein Paar in einem Kinosaal zeigt, weckt die Sehnsucht nach einer Flucht vor Kälte und Dauerkrise in der Welt. Das Plakat illustriert auch das Licht (des Projektors in der Dunkelheit), welches der Sehnsuchtsort Kino verlorenen Seelen zu geben imstande ist.

Doch Kinogeher, welche die Filmografie des finnischen Altmeisters bis zuletzt verfolgt haben, ahnen es bereits: Selbst in der heimeligen Parallelwelt eines Kaurismäki-Films mitsamt seinen schrägen Figuren, farbenfrohen Retro-Dekors und Orten, die es so nur im Kino gibt, ist man von der „wirklichen“ Welt nicht mehr sicher.

War in den beiden Vorgängerfilmen Le Havre (2011) und Die andere Seite der Hoffnung (2017) noch die Flüchtlingskrise allgegenwärtig, so tönen nun Nachrichten vom Krieg in der Ukraine aus dem nostalgischen Radio der Protagonistin. Das bestimmende Thema, welches Kaurismäki, der wie kaum ein anderer Regisseur ein Herz für die Arbeiterklasse hat, in seinem neuen Film beschäftigt, ist aber eine andere Frage: Ob Liebe im Spät-Kapitalismus, in dem alles zur Ware geworden ist und Menschen nur nach ihrem Nutzen beurteilt werden, überhaupt noch möglich, ob sie eine mögliche Rettung ist. Gleich in der ersten Szene des Films sieht man die weibliche Hauptfigur, die Supermarktkassiererin Ansa (Alma Pöysti), perverse Mengen von abgepacktem Fleisch über die Ladentheke ziehen. Als sie bald darauf abgelaufene Ware vor dem Müllcontainer rettet, führt dies zu ihrer Kündigung durch den strengen Marktleiter.

Dem Bauarbeiter Holappa (Jussi Vatanen) hingegen wird seine Alkoholsucht zum Verhängnis, obwohl es mangelnde Sicherheitsvorkehrungen waren, die zu seinem Arbeitsunfall geführt haben. Zwischen diesen beiden einsamen und nicht mehr ganz jungen Außenseitern entwickelt sich eine zarte Beziehung. Bis sie am Ende - wie in dem vom Regisseur unübersehbar und nicht zufällig zitierten Chaplin-Film Modern Times – gemeinsam in die Ferne gehen können, müssen noch einige Missgeschicke überwunden werden.

Die Freude am Kino merkt man Kaurismäki (mit 66 Jahren nunmehr im Herbst des Lebens) immer noch an, und auch sein politisches Bewusstsein ist stärker als je zu spüren. Als Zuseher verlässt man den Kinosaal nach nur 81 bittersüßen, schnörkellos inszenierten Minuten jedenfalls mit einem besseren Gefühl als zuvor: Solange es noch Filme wie Fallende Blätter gibt, ist die Welt irgendwie doch noch in Ordnung.

Bilder: Sputnik Oy / Pandora Film / Malla Hukkanen

 

 

 

 

 

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