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„Ich wurde ausgewählt für eine Fahrt zum Mond“

 

LAWINE TORREN / SCHAFBERG 1911

20/06/14 Der Schafberg als Plattform für ein geheimes Militärprojekt? Eine Abschussrampe, deren Rakete den Mond erreichen soll? Und das alles schon im Jahre 1911? Klingt verrückt? Ist es auch. Die gewagte Idee verschwindet hinter einer lückenhaften Inszenierung!

Von Jana Winkelmayer

Wer denkt, es handelt sich um Science Fiction, irrt. Wir befinden uns in einem Projekt von Lawine torrèn, in dem die Grenzen zwischen möglicher Wahrheit und technischem Streben verschwimmen. Geschichte als freies Deutungsspiel. Um die Handlung zu etablieren, wird kurzerhand eine Idee konstruiert, wonach der Physiker Carl Cranz und der Lokomotivführer Berthold Hödlmoser auf dem Schafberg eine Konstruktion bauen, mit der sie zum Mond fliegen wollen. Die K&K Armee unterstützt ihr Vorhaben und hilft beim Bau der notwendigen technischen Installation. In den Wochen bis zur Realisierung entspinnt sich rund um die beiden Freunde Carl und Bertl, den Militäroffizier Arthur und die drei Frauen Sophie, Hedwig und Klara ein Beziehungsgewirr, in dem Eifersucht, Rache und Liebe ihren dramatischen Lauf nehmen.

„Die Bahn ist dem Militär immer voraus“: Vor der Kulisse des Wolfgangsees beginnt die Reise in der Schafbergbahn hinauf zum Schauplatz der Inszenierung. Die einleitende Tonband-Ansage unterwegs zum Gipfel wird, ob des Bestaunens der Natur, von den Besuchern und Besucherinnen der Veranstaltung kaum bis gar nicht wahrgenommen. Dieses Konkurrieren von Heimatidyll und Kunst zieht sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung, die bereits 2013 in Kooperation mit dem Tourismusverband St. Wolfgang zum Jubiläum „120 Jahre Schafbergbahn“ stattgefunden hat und dieses Jahr in die Verlängerung geht. Die anschließende Verköstigung im Gasthaus erinnert ein bisschen an eine Kaffeefahrt, nur das auf den Verzehr von Speckbrot und Bauernkrapfen anstatt der Anpreisung von Produkten eine Instruktion erfolgt, um die Zuschauer und Zuschauerinnen auf die Inszenierung einzustimmen und ihnen „wichtige“ Verhaltensgrundlagen im Umgang mit Theater mitzugeben.

Warum wird eigentlich explizit darauf hingewiesen wird, nicht mit den Darstellern und Darstellerinnen in Kontakt zu treten? Brave Ansätze, die vierte Wand manchmal zu durchbrechen – aber dann doch der bittere Nachgeschmack der Interaktionsverweigerung. Auch das Begleiten von einer Außenstation des Theaters zur nächsten mit Hilfe von Kuhglockengeläute mag lieb gemeint sein, unterstreicht jedoch ironischerweise das Gefühl, sich hier als „Touristen-Herde“ durch die Alpen navigiert zu fühlen.

„Du kannst dir nicht mehr helfen und kein Gericht und keiner der dir hilft!“ Die Inszenierung selbst bleibt bruchstückhaft und tritt so vor dem gewaltigen Naturschauplatz tatsächlich in den Hintergrund. Eine Ausnahme bilden die Kostüme und das gänzendes Bühnenbild. Sprachliche und darstellerische Anfangsschwierigkeiten von Christine Winter (Sophie) legen sich im Laufe des Stückes, wenn nach dem intimen Beginn im Gasthaus in den Außenstationen räumliche Distanz gewonnen wird. Dennoch bleibt das Stolpern zwischen Dialekt und Theatersprache bei fast allen Darstellern und Darstellerinnen – ausgenommen Wilhelm Iben (Arthur) – symptomatisch für das Kernproblem des Stückes: Ein Changieren zwischen Heimatkult und moderner Inszenierung, in dem ein Dialog zwischen Beidem nur unzureichend gelingt. Die unvollendeten Sätze von Joey Wimplinger (Textbuch) würden den schönen Ansatz der Assoziation verfolgen, verlieren aber in ihrer exzessiven Nutzung an Wirkkraft und führen vor allem zu Beginn des Stückes zu einer vollkommenen Zerstreuung des Inhalts.

Es scheint fast so als würde sich der Schwerpunkt der Inszenierung vollkommen auf die letzte Station verlagern. Angesichts der mangelhaften Etablierung der Charakterrollen und Handlungsstränge in den ersten Teilen bleibt der angestrebte Entwirrungseffekt leider aus und eine leichte Überforderung tritt ein, beim Versuch Rekonstruktion und Conclusio gleichzeitig zu erleben. Ein Lautsprecher, der in Mono-Qualität den Zuhörern und Zuhörerinnen sprachlichen Raumklang verweigert. Das kann’s nicht gewesen sein.

Musik und Lichtdesign unterstreichen dann doch sehr gelungen ein kunstvoll verdichtetes Ende, das seinen Gipfel in einem pyrotechnischen Finale findet. Vor dem Hintergrund der Belle Époque und der Konzentration des Stückes auf das Ereignis der Mondfahrt kann das Ende kaum als Effekthascherei empfunden werden. Sehr wohl jedoch die mehrmals angedeuteten Gefahren am Rande des Berghangs.

Insgesamt handelt es sich bei Schafberg 1911 um eine Inszenierung, die ihr Potential leider nur unzureichend ausschöpft und sehr stark auf die gegebene Berg Kulisse setzt. Diese wird äußerst gelungen in das Stück integriert, überragt es jedoch weit. Trotzdem ein interessanter Ausflug für alle, die nicht nur Theater, sondern auch Bergluft genießen wollen.

Weitere Aufführungen am 20., 21., 26., 27. und 28. Juni sowie am 2. und 3. Juli – www.torren.at ; wolfgangsee.salzkammergut.at
Bilder: Lawine Torren

 

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