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Störlesung – aber keiner stört

RAURISER LITERATURTAGE / HINTERGRUND / STÖRLESUNG

08/04/24 Gestört fühlte sich keiner. Im Gegenteil. Es fühlte sich an wie ein netter Nachmittag zu Hause bei der Oma, wo man nach ein paar Stunden satt und glücklich das Haus verlässt. Jede Generation lernt alte Traditionen neu kennen: Studierende der Uni Salzburg gingen erstmals „auf Stör“.

Von Stefanie Gaßner

Als wir in der Lehrveranstaltung erfahren haben, dass es neben dem „normalen“ Programm bei den Rauriser Literaturagen auch die sogenannten „Störlesungen“ gibt und wir dabei sein dürfen, haben wir uns als erstes gefragt, woher dieser Name kommt. Bei einer „Störlesung“ liest ein Autor oder eine Autorin jeweils im gemütlichen Setting daheim bei einer Rauriser Familie. Diese Lesungen sind nicht für die Öffentlichkeit zugänglich: Kommt der Name also womöglich daher, dass man in einem fremden Haus ist und dort stört, haben wir gerätselt. Kurzen Recherche. Der Begriff kommt vom mittelalterlichen „auf Stör gehen“. Dabei führten Handwerker ihre Arbeit im Haus des Kunden aus und wohnten teilweise auch vor Ort. Analog dazu heißen die „Störlesungen“ so, weil Autoren und Autorinnen Familien aus der Gegend besuchen.

Dass so ein Autorenbesuch von den Gastgebern als alles andere, denn eine Störung empfunden wird, haben wir am Freitag (5.4.) bei einer Störlesung mit dem heurigen Raurispreisträger Matthias Gruber feststellen dürfen. Die Gastgeberin hat uns herzlich aufgenommen. Wir fühlten uns vom ersten Augenblick an willkommen, obwohl wir jungen Leute die einzigen waren, die niemanden (außer dem Autor) kannten. Matthias Gruber hat zwei Abschnitte aus seinem Roman vorgelesen und die Gäste haben in gemütlichen Atmosphäre interessiert Fragen gestellt. Eine Dame wollte etwa wissen, was seine erste Idee war und wie er den Roman begonnen habe. Tatsächlich sei es, so Gruber, zunächst um die Müllhalde gegangen und um die Grundidee, dass jemand – in der Hoffnung durch einen Zufallsfund, reich zu werden – weggeschmissene Festplatten durchsucht: Wie beim Lotto, wo jeder weiß, dass die Chancen gering sind und trotzdem mitmacht.

Nach dem der „offizielle“ Teil vorbei war, begann die Gastfreundschaft erst richtig. Wir saßen wie weitere Familienmitglieder bei diesem Verwandtschaftstreffen und haben uns mit den Leuten unterhalten. Es gab Kaffee, verschiedene Kuchen und feine Snacks, wie Salat im Glas und Lauchcroissants. Man konnte richtig sehen, wie sehr die Gastgeberfamilie Spaß daran hatte, ihre Gäste zu verwöhnen. Auch Matthias Gruber hat sich sichtlich wohlgefühlt. Er hatte gleich zu Beginn erklärt, dass er unbegrenzt Zeit habe. So saßen wir alle über drei Stunden bei dieser Störlesung, bei der aber keiner gestört wurde. Wir kamen als Fremde und gingen als Teil der Familie.

Bild: dpk-gaßner
Die Rauriser Literaturtage sind am Sonntag (7.4.) zu Ende gegangen. Einzelne Veranstaltungen sind weiterhin über die Website abrufbar. Alle Lesungen und Gespräche werden in den kommenden Wochen von FS1 Community TV Salzburg ausgestrahlt – www.rauriser-literaturtage.at
Für DrehPunktKultur berichten Studentinnen und Studenten von Uta Degner im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2024)“ am Fachbereich Germanistik von den Rauriser Literaturtagen

 

 

 

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