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Lachende Revolution, nuschelnde Dichter

LITERATURFEST SALZBURG / ERÖFFNUNG

22/05/14 Nicht ganz unter einen Hut, aber immerhin unter ein Dach gebracht hat das Literaturfest vier Autorinnen und Autoren, die verschiedener nicht sein können: Elke Heidenreich, Peter Schneider, Barbara Coudenhove-Kalergi und Raphael Urweider wurden zu einem überlangen und etwas disparaten Abend zusammengespannt, dem es an literarisch-poetischen Augenblicken da und dort nicht mangelte.

Von Heidemarie Klabacher

477Rechtzeitig zur Eröffnung des Literaturfestes Salzburg am Mittwoch (21.5.) hat Barbara Coudenhove-Kalergi den Dehio-Buchpreis des „Deutschen Kulturforums Östliches Europa“ bekommen. Jochen Jung konnte in seiner Begrüßung auf die brandheiße Meldung hin als erster gratulieren.

Barbara Coudenhove-Kalergi ist eine Journalistin der Welt von heute. Mit ihren politischen Analysen - nicht nur in ihrer Kolumne im „Standard“ – findet sie klare unaufgeregte Worte zu komplexen aktuellen Themen und Problemen. Barbara Coudenhove-Kalergi ist eine Journalistin der Welt von heute. Zugleich aber ist die große Dame des politischen Journalismus Jahrgang 1932 eine Zeitzeugin - und eine durchaus sanftironisch distanzierte Bewahrerin von Erinnerungen an eine Welt von Gestern. Davon zeugt ihr Buch „Zuhause ist überall“. Ein Erinnerungsbuch sei es, sagte Barbara Coudenhove-Kalergi in der Großen Aula, ein persönliches, „und zugleich ein Stück Zeitgeschichte“.

Geradlinig wie ihr journalistisches Analysieren, ist ihr erzählendes Schreiben. Ohne mit wohl gestellten Worten Effekte erzielen zu wollen, zieht sie ihre Zuhörerschaft in den Bann der Ereignisse, die sie eindrücklich, aber klar aus einer Beobachter-Position heraus, lebendig werden lässt. So hatte man selbst in der (nach der missglückten „Renovierung“ noch immer jeglicher Atmosphäre baren) Großen Aula das Gefühl, als Augenzeuge der Sanften Revolution von 1989 in Prag „dabei“ zu sein: mitten in der friedlichen und gar nicht bedrohlichen Menschenmenge auf dem Wenzelsplatz; unter dem legendären Balkon des Hauses Nummer 56, von dem herab Vaclav Havel und die seinen das neue Tschechien gewaltlos er-redet haben; im Lokal Laterna Magica, in dem die unblutigen Revolutionäre vom Rücktritt des Regimes erfahren haben.

Im zweiten Teil ihrer Lesung - auf den Barbara Coudenhove-Kalergi schon verzichten wollte, weil sie die zugestandenen 25 Minuten Lesezeit überschreiten würde – hat sie erzählt, wie sie und ihre Familie anlässlich einer Taufe für ein Wochenende auf das Schloss ihrer Kindheit im Tschechischen Breznitz zurückgekehrt sind.

Bleiben wir bei den Damen. Elke Heidenreich hat selber Zweifel geäußert, ob es klug ist, in Salzburg einen Text über Mozart zu lesen. Das wäre auch in einer anderen Stadt nicht so klug gewesen. Heidenreich hat – und das war natürlich schon klug – Nikolaus Harnoncourts Diktum „Mozart war ein Krokodil“ zitiert. Von diesem Ausgangspunkt aus hat sie in ihrem Text aus dem Mozartjahr 2006 einen Streifzug gemacht durch alle gängigen Mozart-Klischees und viele bekannte Mozart-Statements bekannter Musikerkollegen. Dass Elke Heidenreich Markus Lüpertz’ umstrittene Skulptur „Mozart eine Hommage“ auf dem Ursulinenplatz zu schätzen (und klug zu analysieren) weiß, hat versöhnt. Wenn man Klischees kritisiert, soll man sich vor Klischees hüten: Nicht alle Salzburger verachten die Statue. Auch hat „Salzburg“ den Lüpertz nicht ins Out „weit außerhalb des Zentrums“ verbannt. Lüpertz hat sich den wunderbaren Platz selber ausgesucht.

Der Deutsche Autor Peter Schneider hat basierend auf Briefen seiner Mutter ein – die Kritiken sprechen dafür, wahrscheinlich sehr gutes – Buch geschrieben. Zu verstehen war von den Abschnitten aus „Die Lieben meiner Mutter“ leider sehr wenig. Heidenreich und Coudenhove-Kalergi sind im Gegensatz zu Schneider mit der Akustik in der Großen Aula (für Musik ganz gut, für Vorträge eher heikel) gut zurande gekommen. Nicht alle Autoren tun ihren Büchern gutes, wenn sie selber daraus vorlesen.

Raphael Urweider hatte es rein aus Gründen der fortgeschrittenen Stunde ziemlich schwer, sein Publikum bei der Stange zu halten. Dabei hat der Lyriker „aus einem kleinen Land außerhalb der EU“ mit seinen kurzen trockenen Kommentaren beinahe ein kleines Polit-Kabarett abgeliefert. Seine „Gedichte“ auf europäische Hautstädte sind bei aller Poesie ironisch auf den Punkt gebrachte „Analysen“ nationaler Eigenheiten. Der einzige „Feind“ in London sei neben dem Schimmel, „Europa und alles andere Islamische“. Über Berlin: „Einsam und nicht ganz gescheitert“. Berlin, so im Plaudern und nicht im Gedicht, werde ja immer wieder mal aufgebaut. Dass es jetzt bald wieder einmal fertig werde, lasse nichts Gutes hoffen.

Das Literaturfest geht mit seinem umfangreichen Programm schon seit heute Donnerstag (22.5.) Mittag weiter - www.literaturfest-salzburg.at
Bild: LF/www.literaturfest-salzburg.at

 

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