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Zwei Stimmen, eine ganze Welt

MOZARTWOCHE / KAMMERKONZERT / FAUST & FREUNDE

27/01/24 Mozart war 1783 zum letzten Mal in Salzburg. Er half bei der Gelegenheit Michael Haydn aus der Patsche. Dieser sollte auf Befehl von Fürsterzbischof Colloredo Duos für Geige und Viola komponieren, war aber krank und konnte nicht liefern. Mozart sprang ein und schrieb in wenigen Tagen zwei wundersame Duette, die Haydn unter seinem Namen abgeben konnte.

Von Heidemarie Klabacher

Einiges spricht dafür, dass Geschichte stimmt. Etwa die aufsteigende Tonarten-Reihenfolge, die einen Duo-Zyklus von Michal Haydn sinnfällig fortführt. Oder dass Mozart KV 423 G-Dur und KV 424 B-Dur weder datiert noch signiert hat. Der Salzburger Haydn habe, zitiert das Programmheft Zeitgenossen, die „vortrefflich geratenen Liebeswerke“ jedenfalls „als ein Heiligtum im Originale aufbewahrt und darin immer Mozarts unsterbliches Andenken“ geehrt.

Isabell Faust und Antoine Tamestit haben die beiden Werke, in denen Violine und Viola kompositorisch gleichwertig behandelt werden und gleichberechtigt miteinander duettieren, wie aus einem einzigen Klangguss gespielt. Der spielerische federleichte Duktus beider Duos wird immer wieder auf das Überraschendste und Bewegendste von Moll-Eintrübungen oder harmonisch noch viel beunruhigenderen Momenten unterbrochen – nur um im nächsten Augenblick wieder lieblicher Heiterkeit Raum zu geben. Faust und Tamestit haben das Raffinement der Komposition mit virtuoser Delikatesse wendig-lebendig herausgestrichen, Reibungen ausgekostet, Gelegenheiten zum Brillieren genutzt ohne die teils kleingliedrige Struktur zu überfrachten.

Da hebt sich die Geigenstimme wie eine Sopransolistin aus dem „Chor“ empor, den einzig die Bratsche stellt, um alsbald wieder in das wundersame „Tutti“ zweier Soloinstrumente zurückzukehren. Da brilliert die Geige über pulsierender Viola-Begleitung, um im nächsten Moment der Bratsche den gleich gebauten federnden Klanggrund zu liefern... Zwei viel zu selten gespielte Meisterwerke meisterhaft interpretiert.

Den beiden Duos folgte im Kammerkonzert am Freitag (26.1.) vormittags jeweils eines der beiden Mozart'schen Klavierquartette. Dazu gesellten sich zu Isabelle Faust und Antoine Tamestit der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Kristian Bezuidenhout. Die Streicher hatten Darmsaiten aufgezogen – stimmten dementsprechend lang, auch teils zwischen den Sätzen. Der Pianist spielte auf dem geradezu überirdisch facettenreich intonierten „Bertsche“-Hammerklavier. Der Sound, mit dem diese vier brillant aufeinander eingespielten Künstler den Großen Saal erfüllten, sucht seinesgleichen. Dementsprechend war der Jubel. Ganz im Gegensatz anscheinend zu „damals“.

Die Klavierquartette g-Moll KV 478 aus 1785 und Es-Dur KV 493 aus 1786 sollen das Publikum einst total überfordert haben. Der Verleger, der drei solcher Quartette bestellt hatte, überließ Mozart bereits nach diesen zweien das vereinbarte Honorar, wenn er nur nicht noch ein drittes daherbrächte. Schade für uns Heutige. Aber wir sollen nicht undankbar sein. Denn wären nur KV 478 und KV 493 überliefert, hätten wir mehr als eine Ahnung vom „ganzen“ Mozart. So radikal, formal und harmonisch, sind freilich nicht alle Werke. Die Zeitgenossen waren eine solch erzählerische, wendige, oft tatsächlich un-ruhevoll wirkende Kompositionsweise wohl wirklich nicht gewohnt. Das weist weit voraus in die Romantik, ja in die Moderne. Das Quartett Faust, Tamestit, Queyras und Bezuidenhout hat diese beiden singulären Werke singulär klangrednerisch, erzählerisch interpretiert. Hat einander die Themen und Motive zur jeweiligen Betrachtung und Weiterentwicklung so temperament- wie respektvoll zugespielt. Hat darin Tiefen ausgelotet, die sich auch in den Symphonien und Opern auftun, hat Lieblichkeit und Delikatesse etwa der Abendempfindung an Laura oder der Serenade des Don Giovanni aufblühen lassen. Kammermusik vom Feinsten. Mozartwoche vom Besten.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

 

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