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Musik wie ein Vulkanausbruch

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / MALLWITZ

28/01/24 Musik frisch aus der Feder nach Diktat der Musen? Luft, die noch keiner geatmet hat. Licht, das zum ersten Mal erstrahlt... Superlative fehlen nach der Performance der Dirigentin Joana Mallwitz und der Wiener Philharmoniker bei der Mozartwoche im Großen Festspielhaus.

Von Heidemarie Klabacher

Das Spannende an den Interpretationen von Mozarts Jenamy-Konzert wie Schuberts Achter war freilich, dass sie einen überrumpelnd genialischen Zugriff mit schärftster Analyse verbunden haben. Joana Mallwitz hat in jedem Moment das große Ganze in Blick und Griff. Sie blickt dem Aufblühen oder auch der Attacke jedes einzelnen Soloeinsatzes – sei es der Orchestermusiker oder des Solisten – schon von weitem entgegen. Speichert auf dem Weg alle Energie der Mitstreiter und lässt dann die Klarinettenline oder den Posaunenton gleichsam explodieren. Ob nach „innen“ pianissimo oder nach „außen“ fortissimo: Die Energie zündet auf gleichem Level. Spannenderweise wurden durch diesen Zugriff die beiden Werke, die immerhin gut fünfzig Jahre trennen, zu Geschwistern im Geiste.

Igor Levit als Solist im Klavierkonzert Es-Dur KV 271 Jenamy! Das ist jenes ohnehin revolutionäre Werk aus 1777, in dem Mozart sich „frei“ schrieb und, nicht nur im Kopfsatz, die Konventionen der Gattung Klavierkonzert auf den Kopf stelle, wie erst Beethoven wieder. Es wurde in der Lesart von Igor Levit zu einem Psychogramm romantischer, geradezu moderner, Zerrissenheit. Auf einem Level von klanglichem Facettenreichtum und technischer Brillanz freilich, auf dem nur wenige Künstler sich zu bewegen und zu halten wissen. Das gilt für das rezitativische Andantino (Mozarts ersten Moll-Mittelsatz), gilt aber auch für das virtuose Rondo, das sich mit seinem delikaten Menuett mitten im Trubel selber zu beruhigen scheint. Wäre das Wort „mozartisch“ nicht leider heillos Kitsch behaftet, wär es hier anzwenden. Auf den Solopart, wie auf die Gesamtwiedergabe: Joana Mallwitz und die Wiener Philharmoniker verliehen zusammen mit Igor Levit dem Klavierkonzert die Abgründigkeit des Don Giovanni und die Lieblichkeit des Veilchens, die ja trotz Größenunterschied beide nicht ganz eindimensional sind.

Wie die Dirigentin den Passagen des Solisten lauschte, um diese im Wortsinn „aufzugreifen“ und an die Orchestermusiker weiterzugeben, wie Levit eine Linie in den Raum stellt um sie seinerseits der Mallwitz in die Hand zu geben: Das war im Großformat kammermusikalisches Musizieren in Reinkultur.

Und all das gilt nun, anzuwenden freilich auf deutlich größeres Material, auch für die Interpretation von Franz Schuberts Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 Die Große. Herausgegriffen sei einzig die Generaupause im zweiten Satz Andante. Da türmen Schubert und die jeweiligen Interpreten das Themenmaterial zu gigantischen Formationen und lassen es in den Abgrund stürzen. Davon wird man jedesmal kalt erwischt. Aber erst in der Interpretation von Joana Mallwitz übertönte die Stille aus dem Abgrund jedes Fortissimo... Eine grandiose Dirigentin. Ein überwältigendes Konzert.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

 

 

 

 

 

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