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Die reine Essenz des Klanges

Von Heidemarie Klabacher

András Schiff „bediente“ sich dieser Schätze nicht, sondern „diente“ ihnen: mit größter Zurückhaltung und größter Intensität.

Ganz ohne Pedal, streng im Duktus und doch tänzerisch duftig im Klang kamen die ersten vier Präludien und Fugen aus dem „Wohltemperierten Klavier“ daher: Der moderne Konzertflügel wurde zum intimen Instrument und die vier Präludien waren keine „Pflichtübung“, sondern der logische Vorausgriff auf das Kommende.

Einige Stücke aus György Kurtágs Zyklus „Játékok“ sind in dieser Mozartwoche bereits erklungen. András Schiff steuerte zwei österreichische Erstaufführungen und eine Uraufführung bei. Bach und Kurtág erklangen zwar „hintereinander“ und nicht - wie bei György und Márta Kurtág üblich - ineinander verwoben. Dennoch schienen diese beiden Werkblöcke auf einen einzigen Atem, aus einem gemeinsamen Klang- und Gedankengrund zu kommen - tiefer verbunden, als nur über den Edel-Sound des Fabbrini-Steinway.

Nicht „Spiele“, sondern „Trauermusiken“, seien diese neuen Játékok-Stücke, sagte Schiff, der tatsächlich selber zum Mikrophon gegriffen hat. „Todesmusiken“ für verstorbene Freunde sind das: „Adieu Haydée I“ und „Adieu Haydée II“ gelten einem jung verstorbenen Literatur- und Musikwissenschaftler, „Rituale - Kálman Strém in memoriam“ erinnere an den ungarischen Konzertveranstalter, „einen gemeinsamen Freund“. Tatsächlich sind diese drei Kurtág-Pretiosen auffallend streng und erst. Allfällige spielerische Leichtigkeit kommt höchstens in ein, zwei überirdischen Obertonwirkungen zum Tragen. Und das wahrscheinlich auch nur, wenn jemand wie András Schiff das spielt.

Ebenfalls eine Grundhaltung der Trauer legte Schiff der Sonate a-Moll zugrunde, die im Kontext des Todes der Mutter 1778 entstanden ist. „KV 310. Eine Erhellung“ kann man nur sagen, nach András Schiffs Wiedergabe auf Mozarts eigenem Hammerklavier, dem Anton Walter-Flügel aus 1780. Präzise und brillant perln die Töne, ein jeder einzelne scheint plastisch und dreidimensional im Raum zu entstehen - und dennoch ist immer ein ungeduldig vorwärts drängender Zug zu spüren. Behutsam gestaltete András Schiff die zarten Linien und die feinen Triller im Andante. Und dann eine mehr spür- als hörbare Eintrübung: Und die Triller werden zum Schicksalsgrollen.

Jetzt bleiben für die Wiedergabe der 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin beinah keine weiteren Superlative mehr übrig. War das gesamte Programm am Freitag (29.1.) eine Zusammenfassung dessen, was „Klavier“ sein und wie es klingen kann, waren diese „Préludes“ die Essenz des Klangs.

Unprätentiös, auch im Epizentrum pianistischer Virtuosität, führte András Schiff von durchsonnten Frühlingsmorgenwäldern über machtvolle Choräle und heitere Lieder bis hin zum - wiederum - dunklen Schicksalsgrollen. Und das kam nun aus einem Pleyel-Klavier aus 1860, jenem Typ von Klavier, den Chopin geliebt habe, erzählte Schiff.

Er selber sei immer mit sich unzufrieden gewesen, wenn er Chopin gespielt habe - „und ich bin es immer noch“. Aber dieses Instrument habe ihm eine „neue Welt eröffnet“. So ein Instrument habe „Register“ - Mittellage, Diskant, Bass - die nicht feinsäuberlich aus- und aneinander angeglichen würden, wie es beim Steinway der Fall sei. Das sei eine „Globalisation“ des Klanges „und das muss wirklich nicht sein“. Recht hat er.

Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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