asdf
 

Früchte des puren Luxus

MOZARTWOCHE / ENSEMBLE INTERCONTEMPORAIN

04/02/13 Das Ensemble intercontemporain aus Paris einzufliegen und das SWR Vokalensemble Stuttgart herbei zu karren, für ein Nachmittagskonzert, das selbstverständlich nicht die Voraussetzungen zum Publikumsmagneten hat: Das ist echter Luxus.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber ein Festspiel wie die Mozartwoche – und wer wollte ihr heuer dieses Etikett streitig machen? – setzt eben auch voraus, dass nicht gespart wird. Schon gar nicht am falschen Platz. Ein hohes, aber gutes Investment also am Samstag (2.2.) Nachmittag für ein Konzert, das nicht nur zwei weitere Werke vom Composer in residence Johannes Maria Staud brachte, sondern Gelegenheit zu einer respektablen Horizonterweiterung gab: Wann hört man schon Chormusik aus dem 20. Jahrhundert jenseits des klangsüffigen pseudomodernen Mainstreams?

Die Messe von Igor Strawinsky aus den Jahren 1944/48 ist ein solches Werk, das sich ein Chor nicht so bald antut – und ein Konzertveranstalter auch nicht, der da ja obendrein in gute Bläser investieren müsste. Hier also eine präzise geschnittene Interpretation dieses Werks, das voller historisierender Elemente steckt und doch ein Tor aufstößt in neue, herbe Klangwelten.

George Benjamin, selbst ein angesehener Komponist, war als Dirigent eingeladen, diese Musik zu vermitteln. Er macht das völlig uneitel, souverän in der Schlagtechnik und mit äußerst präzisen Klangvorstellungen. Da wurde man also gleichsam hineingezogen in das zwölftönige und doch so überhaupt nicht abschreckende, sondern wundersam glänzend instrumentierte Werk „Cummings ist der Dichter“ von Pierre Boulez aus den Jahren 1970/86. Das ist eigentlich längst „Klassik“, aber es braucht natürlich die sechzehn Solostimmen und die Kompetenz an den Instrumentalpulten, wie sie das SWR Vokalensemble Stuttgart und das Ensemble Intercontemporain mitbringen. Da war ein Niveau weit jenseits des Konzertalltags garantiert.

Lustvoll dadaistisch die "Cinq Rechants" von Olivier Messiaen: Sprach-Versatzstücke stehen zwischen rhythmisch pointierten Refrains über Textsilben, die man arglos für Japanisch halten könnte, in Wirklichkeit aber der Sprach-Fantasie des Komponisten entsprungen sind und keine semantische Bedeutung haben.

Johannes Maria Staud hat sich in den vergangenen Tagen wirklich ausgiebig vorstellen dürfen. Das ausufernde, für den Solo-Fagottisten des Ensemble intercontemporain, Pascal Gallois, 2011 geschriebene Solostück „Celluloid“ ist insofern hochinteressant, als es eine Art Kompendium der Spielpraktiken unserer Tage für dieses Instrument darstellt. Pascal Gallois hat eine neue Fagott-Schule geschrieben. All die Klang-Tricks und -Kniffe, die Möglichkeiten, durch raffiniertes Überblasen Tonüberlagerungen zustande zu bringen und akkordische Effekte zu imaginieren – das hat Johannes Maria Staud sich also von diesem Ausnahme-Bläser genau erklären lassen und so selbstverständlich in ein gut viertelstündiges Werk gegossen, dass man den Eindruck mitnahm, Staud hätte nie etwas anderes gemacht als für Fagott komponiert.

Am Ende dieses Konzerts hätte man am liebsten nochmal von vorne mit dem Zuhören begonnen. Und, besondere Freude: Freilich wirken geschätzte 250 Zuhörer höchst dürftig im Haus für Mozart. Aber so viele zwischen der dreieinhalbstündigen „Lucio Silla“-Matinee und dem abendlichen Philharmoniker-Konzert herbeigelockt zu haben – das ist doch was!

Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014