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Mozart über den Zeiten

MOZARTWOCHE / STREICHQUINTETTE

30/01/14 Ein faszinierend vielschichtiger Werkkomplex in ebenso luxuriöser wie kompetenter Besetzung – so soll Mozartwoche sein: Mozarts Streichquintette, erster Teil, waren zu erleben in der Matinee am Mittwoch. Der zweite Teil folgt am Freitag.

Von Gottfried Franz Kasparek

460Renaud Capuçon und Alina Ibragimova, Violine. Gérard Caussé und Léa Henning, Viola. Clemens Hagen, Violoncello. Die Fünf ergeben ein Ensemble, aus dem man gar nicht jemand einzeln beschreiben oder gar hervorheben möchte. Alle spielen Mozart mit größter Präzision und natürlicher Klangschönheit. Aber, und dies wiegt schwerer, mit intensiver Durchdringung des Notentextes. Und, dies wiegt am schwersten, mit einer Tiefe und Spannbreite des Ausdrucks, dass man nur mehr ins Schwärmen geraten kann. Die sechs Quintette, wohl der experimentellste, „modernste“, aufregendste Kammermusikzyklus Mozarts, fordern die Interpreten auf das Höchste, was Artikulation, Doppelbödigkeit, Flexibilität und gestaltende Phantasie betrifft. Diesem Höchsten wurden die Fünf am Mittwoch (29.1.) im Großen Saal des Mozarteums vollkommen gerecht.

Im sehr lesenswerten Programmhefttext von Manfred Hermann Schmid ist über einen 2001 erfolgten sensationellen Fund zum Quintett KV 515 – es folgt am Freitag (31.1.) – zu lesen, was wohl für alle diese Stücke und nicht nur für diese gilt: „Diese Stimmen erhalten sämtliche von der Wissenschaft verworfenen und als ‚romantisch’ verdammten Zusatz-Bezeichnungen wie p, f. fp, fz, cresc - und zwar in Mozarts eigener Handschrift.“

459Soviel zur Barockisierung der Wiener Klassik in den letzten Jahrzehnten. Mozarts Partituren sind Grundlagen für die Ausführenden, keine sakrosankten Heiligtümer. Er selbst hat es nicht anders gehalten. Die Quintette sind ein grandioses Laboratorium der Romantik, der Musik der Empfindungen. Nach 1750 spielte sich in Europa eine emotionale Revolution in der Musik ab, deren wesentlichste Bannerträger Mozart und Haydn gewesen sind. Dass dies Hand in Hand mit konkurrenzloser Satzkunst ging, macht den einzigartigen Wert dieser Werke aus.

Darüber konnte man trefflich sinnieren in diesen zwei keinen Moment lang langweiligen Mittagsstunden. Das Ensemble exekutierte die Stücke nicht, es brachte sie blühend zum Leben. Unglaublich, wie weit in ferne Zukunft Mozart schon anno 1173 in seinem ersten Streichquintett in B-Dur KV 174 vorgestoßen ist, nicht nur in den spielfreudigen schnellen Sätzen mit ihrer oft vertrackten Rhythmik, sondern auch im nachdenklichen Adagio. Das letzte Quintett – Es-Dur KV 614 aus dem Todesjahr 1791 – verbindet geschärften Intellekt mit rasanten Stimmungswechseln und verblüfft im Menuett mit einer jener genialen Schlagermelodien, die Mozart so niveauvoll wie kaum ein anderer formulieren konnte. Da kündigt sich der Wiener Walzer schon in all seiner mitreißenden Energie an.

461Nach der Pause folgte ein echter Solitär – das Quintett in g-Moll KV 516 aus dem Mai 1787. Welch ein trauriger Frühling. Düstere Mollstimmung dominiert das ganze Stück, in dem tiefste Depression sich erst im Allegretto-Teil des Finalsatzes in eine Art lapidarer Gleichgültigkeit verwandelt, nach zweieinhalb mehr oder weniger langsamen Sätzen voll wehmutsvoller Kantilenen, voll in aller Tragik seltsam eleganter Melodik.

Warum auch immer Mozart damals so komponiert hat – es sei noch einmal das Programmheft zitiert: „Denn es ist, als käme die Musik näher, als es die Konvention gesellschaftlichen Umgangs erlaubte.“ Mozart preschte hier über alle Konventionen seiner Zeit voraus mitten in die Hochromantik. Nach dem nicht enden wollenden Jubel des Publikums war es die einzige Zugaben-Möglichkeit, einfach das Allegretto zu wiederholen.

Bilder: ISM/Wolfgang Lienbacher

 

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