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Mit einem Kuss vollbrachte er den Mord

HOFHAYMER GESELLSCHAFT

26/03/12 Aus diesen Wunden fließt auch nach vierhundert Jahren noch das Blut: Die radikale unglaublich „moderne“ Chromatik des Renaissance-Komponisten Carlo Gesualdo lässt auch im 21. Jahrhundert noch das Blut des Zuhörers gerinnen.

Von Heidemarie Klabacher

„Ich gehe hin, um für euch geopfert zu werden“, heißt es im Responsorium „Meine Seele ist betrübt bis zum Tod“: Wie schwer Jesus jeder einzelne Schritt auf diesem Weg gefallen sein muss, hört man in den schmerzhaft widerstrebenden Tonschritten. Und Judas, der unselige Verräter, „warf das Blutgeld hin, und erhängte sich am Ende mit einem Strick“: Von gnadenloser Anschaulichkeit ist die Tonsprache dieses Komponisten – aus dessen Leben vor allem das boulevard-taugliche bekannt ist.

Carlo Gesualdo, Principe di Venosa (1566-1613), hat seine ungetreue Ehefrau und deren Liebhaber in einem Eifersuchtsanfall ermordet. Sein Landsmann Salvatore Sciarrino hat den hollywoodtauglichen Stoff mehrmals verarbeitet, die 1998 uraufgeführte Oper „Luci mie traditrici“ und das Puppenspiel von der „Furchtbaren und erschröcklichen Geschichte des Fürsten von Venosa und der schönen Maria“ waren erst 2008 bei den Festspielen.

Tatsächlich scheint man Sciarrinos zeitgenössischer Gesualdo-Oper leichter mal wo zu begegnen, als Originalstücken des italienischen Renaissance-Fürsten und Komponisten. Aber wenn, dann ist es eine Sternstunde – wie das Konzert der Paul Hofhaymer Gesellschaft am Sonntag (25.3.) in der Großen Aula.

Das Hofhaymer Ensemble sang Carlo Gesualdos „Tenebrae Responsorien“, umrahmt von Johann Sebastian Bachs Actus Tragicus „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ BWV 106 und der Kantate „Du wahrer Gott und Davids Sohn“ BWV 23, gesungen und gespielt vom Collegium Musicum Salzburg – von Albert Anglberger federnd musikantisch geleitet.

Jeweils drei mal drei „Responsorien“ waren vor der Liturgiereform in den Nächten von Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag vorgeschrieben. Die Tenebrae-Responsorien gehörten zum Gründonnerstag. Das Hofhaymer Ensemble sang die erste und die zweite Gruppe (Nocturn), die die Todesangst Jesu auf dem Ölberg sowie seine Trauer über den Verrat des Judas reflektieren. Perfekt ausbalanciert im Zusammenklang erschreckte das Vokalensemble mit den genussvoll ausgekosteten Dissonanzen Gesualdos – um quasi im nächsten Augenblick mit aufblühenden Harmonien die Erlösung in nahe Aussicht zu stellen.

Der komplexe Aufbau von Responsorien mit ihren regelmäßigen Textwiederholungen entwickelt einen unglaublichen Sog, den das Hofhaymer Ensemble (Aki Hashimoto, Bernadette Furch, Jim Curry, Bernd Lambauer, Tore Denys und Ulfried Staber) mit seinem sängerisch-technisch brillanten und interpretatorisch überaus lebendigen Zugang zu verstärken wusste. „Ihr werden fliehen, aber ich gehe hin, um für euch geopfert zu werden“ oder „Durch seine Wunden sind wir geheilt“: mit jeder Wiederholung schienen Spannung und Intensität zu steigen. In so atemlose Spannung hat einen schon lange kein acappella Ensemble mehr zu setzten gewusst.

 

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