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Klarheit und Poesie

WIENER SAAL / IGOR LEVIT

23/05/12 Igor Levit eilt der Ruf eines Pianisten der Sonderklasse voraus. Tatsächlich, der 25jährige ist eine echte Persönlichkeit, ein Musiker, der Intellekt und Gefühl bezwingend verbindet, wie sein Klavierabend am Dienstag (22.3.) bei der Stiftung zeigte.

Von Gottfried Franz Kasparek

altLevit, aus Nizhni Nowgorod gebürtig, in Deutschland aufgewachsen, hat bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover, aber auch bei Hans Leygraf am Mozarteum studiert und ist mit vielen Preisen gekrönt. Technische Perfektion versteht sich da von selbst, aber der charismatische junge Mann hat mehr zu bieten. Schon der Beginn seines Soloabends im Wiener Saal ließ aufhorchen. Mit so viel Spielwitz versehen ist Ludwig van Beethovens nur vermeintlich leichte Sonatine op. 79 selten zu hören. Beethoven stand im Mittelpunkt des klug gestalteten Konzerts. Levit liebt die Pausen zwischen den Stücken nicht. So folgte im ersten Teil nach der spritzigen Sonatinen-Ouvertüre auf Mozarts experimentelle c-Moll-Fantasie KV 475 quasi pausenlos Beethovens G-Dur-Sonate op. 14/2 und im zweiten Teil schloss das pianistische Feuerwerk der Waldstein-Sonate nach einer das Publikum in die Stille bannenden, kurzen Meditation des am Flügel sitzen bleibenden Pianisten an die brillanten Stürme des Finales der Sturm-Sonate schlüssig an.

So entstand ein weit gespannter Bogen, der einen mitnahm auf eine Reise in das Innere der Klänge. Wie Levit die jähen Stimmungswechsel der Mozart-Fantasie dramaturgisch überlegen gestaltete, wie er anschließend das dialogische Prinzip bei Beethoven aus dem Steinway meißelte, wie er Energie und Poesie zu vereinen vermochte, begeisterte schon vor der Pause. Danach scheute sich Levin nicht davor, das Programm spontan zu ändern – und statt op. 101 das op. 53 ans Ende zu setzen.

In der Sturm-Sonate op. 31/2 erklangen die berühmten Rezitative im ersten Satz wahrlich wie „aus einem magischen Bezirk“, gar nicht so sehr „aus weiter Ferne klagend“, um Carl Czerny zu zitieren, sondern eher klangintensiv in sich ruhend. Wie überhaupt die phänomenale Klarheit des Ausdrucks, die Igor Levit erreicht, nicht auf Kosten der Emotion geht. Hin und wieder streift diese Interpretation die kühle „Luft von anderen Planeten“, immer ist Levits Beethoven zwar noch formal barock-klassisch verwurzelt, aber gleichzeitig in der Harmonik aufregend kühn in die Moderne weisend – und doch in jedem Takt und in den oft mutig gesetzten, trotz grenzwertiger Länge stets die Spannung haltenden Generalpausen von starken Gefühlen erfüllt. Levits Klavierspiel – an einem Hammerflügel wäre es so unmöglich! – vereint faszinierende plastische Qualitäten mit einem untrüglichen Sinn für Dramatik.

Die Waldstein-Sonate, dieses „Klavierkonzert ohne Orchester“, ließ zum Abschluss die Hoffnung dringlich werden, Igor Levit bald mit einem Beethoven-Konzert zu begegnen. Dieser Pianist kann am Klavier durchaus „singen“, aber noch wesentlicher ist die Rhetorik, was bei Beethoven sicher auch damit zu tun hat, dass der Russe mit jüdischen Wurzeln sich in der deutschen Sprache beheimatet fühlt. „Die Tatsache, dass ich mich angekommen fühle in diesem Land, ist in allererster Linie der Sprache geschuldet“, so Levit in einem Interview. „Sie hat bei mir schon als kleiner Junge Emotionen geweckt, die ich nicht beschreiben kann. Ich liebe diese Sprache über alles." Wie gut der Klangredner Levit musikalisch auch Französisch spricht, bewies die atmosphärische Debussy-Zugabe. Dass der Wiener Saal leider ein wenig schütter besucht war, tat dem Jubel des Publikums keinen Abbruch.

Bild: www.igorlevit.com / Felix Boede


 

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