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Der Vamp und die letzten Dinge

SALZBURGER JAZZHERBST / UTE LEMPER

05/11/12 Ute Lemper schreibt sich die Rolle der durchgeknallten Femme fatale auf den Leib und stylt ihr Programm entsprechend. Kalkulierte Erregung in unverbindlich letzten Dingen – „Last Tango in Berlin“ am Samstag (3.11.) im Großen Festspielhaus.

Von Erhard Petzel

Als spartenübergreifend tätige Künstlerpersönlichkeit mit der unbedingten Perfektion eines Broadwaystars setzt sie ihre Möglichkeiten um für eine vielfältige und genau kalkulierte Performance.

Dazu gehen die Schwerpunkte des musikalischen Rahmens bis in die goldenen Zwanziger. Marlene Dietrich und Brecht/Weill bilden den Rahmen, Piazolla, Chansons und Swing wechseln und gehen ineinander über in den Arrangements des Pianisten der Combo, Vana Gierig. Lemper parliert auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Die Absolventin des Reinhardt-Seminars mit Musical-Karriere schöpft hier aus dem Fundus ihrer Vergangenheit, den sie zur neuen Show umgearbeitet hat, aus der sich dann auch der Titel des Abends herleitet. Als Vamp macht sie sich an ihr Publikum und ihre Musiker heran, sprüht vor Energie und trägt nonstop das Programm. Zum Ausrasten gibt es Chanson mit schäkerndem bis rührseligem Parlando.

So stellt sie anfangs den Kontakt zum Salzburger Publikum her, wenn sie auf ihr Studium bei Susi Nicoletti auf der Sommerakademie 1978 Bezug nimmt, der den Funken für die Bühne entzündet habe. Natürlich findet die Conference sonst nicht so ohne weiteres zum lokalen Bezug bei einem Programm mit dem Hintergrund einer stilisierten Berliner Cabaret-Szene und der verkörperten Rolle einer Mega-Sally-Bowles.

Wie bei dieser liegt die Dominanz der äußerst wandlungsfähigen Stimme Lempers im Verrucht-Ordinären. Erschrickt man erst über die Lust am Outrieren, überzeugt die Künstlerin beim virtuosen Scat über die Einstellung auf Liebe von Kopf bis Fuß. Später ist es ein Body-Posaunen-Solo, das den Auftritt beim Jazz-Herbst begründet. Kabarettistischer Höhepunkt ist die Historie von Lolas roter Stola, die bis zu Merkel und Condoleezza Rice gereicht wird.

Perfekt und dicht die Zusammenarbeit mit den Musikern. Tito Castro liefert am Bandoneon Vorspiele, melodramatische Hintergründe, Duett-Stimmen, Einwürfe und Soli. Punktgenau der Effekt, wenn sein Schlusston einmal weiterträgt, was die Sängerin absterben lässt. Auf Vana Gierig am Klavier, Steve Millhouse am Bass und Eric Halvorson am Schlagzeug kann sich die Sängerin verlassen. Jede Wendung im reichen Wandel, jeder Gag, alles sitzt präzise.

Der Rahmen des Großen Festspielhauses unterstreicht Kühle und Distanz, die von dieser Performance ausgehen. Das Anbiedern der Femme fatale ist unterkühlt, glatt und berechnet, auch wenn dies im Gegensatz zu den Temperamentsausbrüchen zu stehen scheint, die mit großer Lust am Exaltierten präsentiert werden. Ein Stereotyp für das Showbusiness vielleicht und damit auf Berlin oder New York?

Zunächst großer Applaus, nach der Draufgabe hätten sich die Musiker allerdings mehr verdient. Doch wenn laut Brecht das Fressen vor die Moral kommt, geht die volle Blase nach durchgesessenem Konzertmarathon offensichtlich vor das Brot des Künstlers. Die Flucht des Publikums war also wohl der Programmlänge geschuldet.

Bild: www.utelemper.com

 

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