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Wenn das Kontrafagott ins Ohr furzt

REPORTAGE / RE-RITE / MUSIK-AUSSTELLUNG

03/05/13 So richtig auf die Pauke hauen! Davon träumt doch jeder. In der alten Rauchmühle wird der Wunschtraum Ereignis – auch wenn es keine Pauke ist, sondern eine Große Trommel oder ein TamTam. Kinder und Erwachsene werden magisch angezogen, greifen zum Schlägel - und lassen das stilvolle Gemäuer erzittern.

Von Heidemarie Klabacher

400Dem Laien-Schlagwerker fehlen freilich alsbald ein paar Hände für das Oropax: Die Klänge die man da so begeistert und naiv auf Großer Trommel oder TamTam freisetzt sind Naturgewalten! Wie halten die Ohren der Musikerinnen und Musiker im Orchester das nur aus? Wahrscheinlich liegt es am kontrollierten Materialeinsatz. Und wenn sich die Besucher der Ausstellung „re-rite“ an den Dirigenten auf dem Videoscreen halten, an die Anweisungen des Schlagzeugers und die Hinweistafeln (1.35 Minuten bis zum nächsten Einsatz), fügt sich auch der hausgemachte Krawall in die Musik: Das ganze alte Gebäude ist erfüllt von den martialischen Klängen von Igor Stravinskys „Le Sacre du Printemps“.

Die Ausstellung „re-rite“ macht auf Einladung der Salzburger Pfingstfestspiele und ihrer künstlerischen Leiterin Cecilia Bartoli bis 20. Mai in der aufgelassenen Rauchmühle Station. Es ist auf mehren Etagen viel zu sehen, viel zu erleben. Und es gibt keine Schautafeln, Vitrinen oder Saaltexte, die die Besucher belehren wollen. Es geht 401tatsächlich um das Erleben von Musik.

Der Dirigent Esa-Pekka Salonen, auf den die Idee zurückgeht, hat mit dem Philharmonia Orchestra Igor Strawinskys „Le Sacre du printemps“ gespielt – und dabei sich selbst und die Musikerinnen und Musiker dabei aus allen nur denkbaren Blickwinkeln filmen lassen. Diese Aufnahmen werden auf Screens in verschiedenen, durch lockere Einbauten von einander getrennten, Räumen abgespielt: Da sieht man die Holzbläser, dort die Hornisten, da ist ein einzelner Cellist schier übermenschlich groß im Bild.

In einer etwas außerhalb des Besucherstromes gelegenen Nische stehen ein paar altmodische Kino-Stühle. Kopfhörer blenden den allgegenwärtigen Strawinsky-Klangrausch aus. Esa-Pekka Salonen erzählt hier Schnurren aus seiner musikalischen 402Laufbahn: So sei er seinerzeit unter Leif Segerstam bei „Le Sacre du Printemps“ als siebter Hornist eingesprungen, und das Kontrafagott habe ihm mächtig ins Ohr gefurzt…

Bei der Ausstellungseröffnung gestern Donnerstag (2.5.) saß eine leibhaftige Fagottistin ihren Kollegen auf dem Screen gegenüber – die hat wunderschön gespielt. Es wird eine andere Stelle gewesen sein…

Die Filme sind von unzähligen Kameras auf Ständern mitten im Orchester oder gar mit Kopfkameras aufgenommen worden: So kann man jede Bewegung der Instrumentalisten miterleben, umblättern, zum Bogen greifen oder die Posaune heben. In einem Raum sieht man sich plötzlich selber in einer Reihe mit den Musikern sitzen. In einem besonders großen Raum ist das gesamte Orchester auf der Leinwand, für die Besucher gibt es 405ein Dirigentenpult…

„In einem Orchester zu sein, zu spüren wie 101 Musiker diese kraftvolle Musik spielen, ist einer der größten Adrenalinstöße und einer, den ich mit der Welt teilen möchte“, sagt Esa-Pekka Salonen über sein Anliegen.

Von „Energie“ spricht auch die Musikpädagogin Anne Kussmaul, die Schulklassen und Kindergärten in ganz Salzburg auf den Besuch der Ausstellung in der Rauchmühle vorbereitet hat. Mit den größeren Kindern habe sie etwa über die Klangarchitektur gesprochen, „über die verschiedenen Instrumentengruppen, die alle zusammen spielen, aber nicht dasselbe“. Wie leiten die Stimmführer ihre Gruppen an? Wie entsteht aus dem Zusammenspiel der einzelnen Gruppen die Dynamik im gesamten Orchester? Wie lässt sich die entstehende Energie künstlerisch kanalisieren: All das lasse sich anhand eines Werkes wie Strawinskys „Sacre“ exemplarisch vermitteln.

406Und Kindergartenkinder und „Sacre“? „Auch das geht wunderbar! Da fängt man natürlich nicht mit dem Opfergedanken an, der die Großen so fasziniert. Kinder assoziieren mit Klängen häufig Bilder. So erinnern etwa die duftigen Klänge zu Beginn an Schmetterlinge, an kleine flirrende Flügel…“

Tatsächlich, wie Anne Kussmaul so anschaulich schildert: In dieser Ausstellung kann man – nicht nur als kleines Kind - der Musik nachlaufen, den Raum suchen, in dem die Musiker zu sehen sind, die grad’ den größten Radau machen… Dem Lärm davon laufen geht gar nicht so leicht, da das ganze Gebäude erfüllt ist. „Notfalls habt ihr zwei Hände zum Ohrenzuhalten“, sagt sie den Kleineren.

„re-rite“ ist von heute Freitag (3.5.) bis 20. Mai täglich von 10 bis 19 Uhr in der Rauchmühle in der Guggenmoosstraße bei freiem Eintritt geöffnet - www.salzburgfestival.at
Zum Vorbericht Kopfkamera, Pauke und Dirigentenstab
Bilder: dpk-klaba

 

 

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