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Mit Lust und Freud und tiefem Ernst

ASPEKTE FESTIVAL / ERÖFFNUNG

15/05/14 Sollte zeitgenössische Musik tatsächlich Spaß machen? Neue Musik wird nicht selten auf dem Podium tiefen Ernstes zelebriert. Das International Contemporary Ensemble aus New York eröffnete unter der Leitung von Oswald Sallaberger die Aspekte 2014 jedenfalls mit musikantischer Leichtigkeit und schlug aus dem Tanzboden unbändiger Spiellust Funken purer Energie. Mit tiefem Ernst blickten dagegen Werner Raditschnig und Gerhard Laber auf Geschichte der Neuen Musik.

Von Heidemarie Klabacher

Das International Contemporary Ensemble aus New York hat am Mittwoch (14.5.) in den Kavernen 1595 das Aspekte Festival 2014 eröffnet. Im Zentrum des „ICE project part 1“ standen Werke von John Zorn. Das ist der amerikanische Ausnahme- und Krawallkünstler, der aus Überzeugung zwischen den Kulturen pendelt (allerdings immer wieder bei der jüdischen Tradition inne hält) und zwischen allen Stühlen sitzt. Das ICE präsentierte den gefürchteten „Klangkanibalen“ von seiner – wir wagen es zu sagen – „heiteren“ Seite. 

Die tänzerische Shakespeare-Paraphrase „The Tempest“ trägt mit „a masque“ (der Vorfahrin der Barockoper in England) die Leichtigkeit im Titel. Schon in diesem Stück für Flöte, Klarinette und Schlagwerk aus 2012 meinte man, Erinnerungen an die Früh- oder Neoklassik, aber auch an Debussy oder Klezmer aufleuchten zu sehen.

Der „Canon to Stravinsky in memoriam“ für Flöte, Klarinette, Fagott und Viola zitiert als Frühwerk diesen Geist ganz explizit herauf: John Zorn hat es 1972 geschrieben, ein Jahr nach dem Tod Igor Stravinskys, einem seiner „Helden“, wie Gottfried Franz Kasparek im ebenso knappen wie inhaltsreichen Porträt „For madmen only?“ im Aspekte-Programmbuch schreibt.

Baudelaires“ für Flöte, Bassklarinette, Fagott, Gitarre, Violine, Viola und Cello aus 2013 stand als dritte Österreichische Erstaufführung auf dem Aspekte-Programm: Unter der Leitung von Oswald Sallaberger brachte das ICE mit größter Klangsinnlichkeit Baudelaires „Flowers of Evil“ zum Blühen, die „Artificial Paradises“ des Drogenrausches zum Changieren oder mit „Paris Spleen“ die Melancholie der Großstadt zur Anschauung.

Zu den Klassikern im Repertorie der Gitarristen-Zunft gehört John Zorns „Book of Heads“ aus 1979 mit insgesamt 35 Gitarreetüden. Der Virtuose des ICE setzte in diesem ebenso energiegeladenen wie gelassen musizierten Programm einen faszinierenden Ruhepunkt.

Im Geiste einer engverwandten Klangsinnlichkeit wurde diese also gar nicht „zornige“ Zorn-Personale ergänzt und erweitert um Stücke von George Lewis und Sam Pluta. „Shadowgraph“ für Ensemble von George Lewis entstand Mitte der Siebzigerjahre. „Magnets!!!“ des jungen Komponisten und Laptop-Performers Sam Pluta ist in den vergangenen Monaten entstanden und erlebte in den Kavernen 1595 seine Europäische Erstaufführung. Eine ebenfalls energiegeladene (das Wort zum Konzert) Interpretation, die das Mit- und Gegeneinander musikalischer Linien zum Inhalt hat. Wie in allen Stücken, faszinierten die Mitglieder des International Contemporary Ensemble mit der unbändigen Energie, die sie in jeden einzelnen Ton, jede Phrase zu zünden wussten.

Das auch ein Geist geradezu „klassischer“ Heiterkeit (um nicht zu sagen Harmlosigkeit) über den Werken schwebte, sei nicht beanstandet, sondern angesichts der explosiv-lebendigen Interpretationen mit Vergnügen akklamiert.

Nicht weniger klangsinnlich, aber sehr viel ernster, ging es im zweiten Teil des Aspekte-Eröffnungsabends weiter. Werner Raditschnig und Gerhard Laber luden zur Konzertinstallation „brow beaten“ ins Republic. Klanginseln – bewohnt von Saiten- oder Perkussionsinstrumenten im weitesten Sinne - waren dort aufgebaut und wurden von den beiden Performern wie von Entdeckungsreisenden angesteuert und erforscht.

Auch ein Ensemble von acht Sängern war aufgeboten, bewegte sich mehrmals mit größter Feierlichkeit, wie nach streng liturgischen Regeln, in Richtung Zentrum und faszinierte mit großen in sich ruhenden Klangclustern.

Auf jeder einzelnen der Klanginseln entwickelten Raditschig und Laber je eigene Klangpanoramen, die an Komponisten und Strömungen der Neuen Musik erinnerten – Cage oder Feldmann, Minimalmusic oder Spektralismus. Auch die vielfältigen „Klangerzeuger“ machten die Vergangenheit der Gegenwartsmusik lebendig.

Das „N“ in „Neue Musik“ musste man sich an diesem Abend halt besonders groß geschrieben vorstellen, so ernst und feierlich agierten die beiden Performer und ihre Sub-Diakone. Der Gedanke an Zelebranten eines verbotenen Ritus in einer Untergrundkirche drängte sich auf. Dabei waren die Klänge so bewegend, die nacheinander beschworenen Stimmungen und Atmosphären so packend! Dabei waren viele der Klang produzierenden Skulpturen von einer geradezu verzaubernden Verspieltheit: die gelben Federn, die von einem kleinen Motor gesteuert Saiten zupfen; die Kügelchen und Bällchen, die sich auf den Tellern ausrangierter Plattenspieler wie auf winzigen Planetenbahnen bewegen und Sphärenmusik spielen.

Das Aspekte Festival geht heute Donnerstag (15.5.) um 19 Uhr mit dem „Frank Stadler Projekt“ weiter; um 21 Uhr folgt das „ICE project part 2“ unter der Leitung von Oswald Sallaberger; die Aspekte dauern noch bis Sonntag (18.5.) - www.aspekte-salzburg.at
Bilder: Magdalena Lepka

 

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