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Klingende Phantasien

KAMMERMUSIK-FESTIVAL 2015 / ERÖFFNUNG

18/06/15 Zur Eröffnung des Kammermusik-Festivals im Solitär gab es eine Reise durch die Musikgeschichte. Drei Stücke, die so gut wie nichts miteinender zu tun haben – aber es muss ja nicht jedes Konzert ein Motto haben. Auch ein bunter Abend macht Freude, wenn so gut gespielt wird.

Von Gottfried Franz Kasparek

Pardon, da gab es ja doch ein Motto: „Salzburg-Wien“. Nun ja. Jeder Mensch, der Titel für Konzerte sucht, weiß, wie schwer es ist, Umschreibungen für „Kraut und Rüben“ zu finden. Am Beginn stand jedenfalls die „Battalia à 10“ des böhmischen Salzburgers Heinrich Ignaz Franz Biber, die man als völlig naive Schlachten-Verherrlichung von anno 1673 abtun und mit ähnlich unsäglichen Verirrungen großer Geister wie Beethovens „Wellingtons Sieg“ in einen Topf werfen könnte, wäre da nicht die kreative Klangphantasie Bibers. Mit visionären Geräuscheffekten, geradezu avantgardistischen Spieltechniken und gar mit dissonantem Chaos wird da ein Krieg geschildert, nicht weit entfernt von böser Parodie. Wolfgang Redik, der Leiter des Festivals, brachte als Primgeiger all das mit gebotener Schärfe und konziser Schlagfertigkeit zur Geltung.

Für den Rest des Abends verwandelte sich Redik in einen Dirigenten seines „Sándor Végh Institut Kammerorchesters“ – nebenbei: könnte man das Institut im Namen nicht weglassen? – und machte dem Namenspatron alle Ehre. Dabei ist Redik viel mehr auch schlagtechnisch versierter Orchesterleiter als Végh es jemals war, verfügt aber über ähnliche, quasi mitatmende Energie. Dies wurde schon in der Begleitung von Mozarts Sinfonia concertante KV 364 deutlich spürbar. Frisch und spielfreudig erklangen die Ecksätze. Dank des beherzten Zugriffs des Geigers Thomas Zehetmair und der Bratscherin Ruth Kilius ergaben sich lebhafte Dialoge zwischen Solostimmen und Orchester. Im Mittelsatz wetterleuchtet schon gewaltig die Romantik, die ja nicht erst im 19. Jahrhundert begonnen, sondern sich viel früher unaufhaltsam im Gefolge des „Sturms und Drangs“ in die Künste geschlichen hat. Dieses zauberhaft melancholische, dabei würdevolle Andante erklang in schönster Ausgewogenheit und voll seelischem Tiefgang. In den Soli wurde die Gratwanderung zwischen Emotionalität und historischer Informiertheit perfekt getroffen. Da war kein Vibrato zu viel, aber auch keine gefühlvolle Kantilene zu wenig.

Nach der Pause sprang Wolfgang Redik mit einer formidablen Streicherschar mitten in des Wien der Zeit um 1900, wobei Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“ diesmal in der Letztfassung von 1943 erklang. Zweifellos ist die ursprüngliche Sextettversion in ihrer durchpulsten Transparenz der mitunter ein wenig den pastosen Hollywood-Sound streifenden Orchesterfassung vorzuziehen. Doch schaffte es Wolfgang Redik, mit beschwörenden Gesten der jugendlichen, hoch motivierten Gruppe alles Mögliche an feinen Nuancen und leidenschaftlichen Gefühlen abzuverlangen. Der Klangrausch geriet manchmal an die akustischen Grenzen des Solitärs, begeisterte jedoch gerade in den leiseren Gespinsten und erotischen Mystizismen der musikalischen Nachtwanderung zwischen „Tristan“-Akkord und Atonalität. Zum Zerreißen gespannte, dabei aufreizend schöne Spätromantik – so soll es sein.

Viel Applaus und schon heute um 11 Uhr ging es im Solitär weiter im Festival, mit dem Minetti Quartett. Man fragt sich freilich, ob jeweils drei Konzerte in vier Tagen genügend Publikum finden werden, trotz spannender, nicht alltäglicher Programme – noch dazu, wenn Matineen an Werktagen die berufstätige Menschheit nicht gerade begünstigen. Die Universität Mozarteum wandelt in den Spuren der Mozartwoche.

5. Salzburger Kammermusik Festival, bis 21. Juni im Solitär der Universität Mozarteum – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider
Zum Vorbericht Auch eine Battaglia kann beleben

 

 

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