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Ersterben in Schönheit

OSTERFESTSPIELE / BERLINER PHILHARMONIKER / RATTLE

19/04/11 Musik rund um die „Salome“ von Richard Strauss auch beim zweiten Konzert der Berliner Philharmoniker am Montag (18. 4.). Am Pult diesmal Chefdirigent Sir Simon Rattle persönlich. Herbert von Karajan machte noch einen Bogen um die "Zweite" Rachmaninow. Warum eigentlich? Ist sie doch ein ideales Vehikel, um ohne Publikumsverstörung, alle Vorzüge der "Berliner" zur Entfaltung zu bringen.

Von Horst Reischenböck

altDie Berliner Philharmoniker wissen sich in Salzburg bei den Osterfestspielen im Publikum unter Freunden. Das zeitigt mittlerweile eine gewisse Nonchalance im Auftreten. Fünf nach Halbsieben übt etwa noch immer die Kontrabassriege. Der Pauker thront einsam im Hintergrund, während die Orchesterwarte zu den Harfenistinnen wieseln, um sich darüber informieren, ob tatsächlich die richtigen Noten auf den Pulten liegen. Nach der Pause wiederum sitzen ein paar Musiker verstreut auf dem Podium des Großen Festspielhauses, inklusive des Konzertmeisters als einzigem Geiger, der zu Beginn noch - wie traditionell bei den Berlinern üblich - stolz Einzelapplaus entgegennahm.

1903 vertonte Maurice Joseph Ravel drei Gedichte von Tristan Klingsor unter dem Titel „Shéhérazade“ und schuf damit gut sechzig Jahre nach Hector Berlioz’ „Les nuits d’été“ den erst zweiten großen Orchesterliederzyklus Frankreichs. Um in Gallien zu bleiben - da hätte von der gedanklichen Querverbindung her auch Florent Schmitts 1907 entstandene „Tragédie de Salomé“ dazu gepasst.

In Ravels Musik den Orient aufspüren zu wollen, bleibt müßig: Griechenland mit „Daphnis et Chloé“ oder Spanien mit der „Rhapsodie espagnole“ klingen ähnlich. Kein Wunder. Ravels sensibel differenzierte Klangsprache, eben jenseits von Folklorismen, war sein ureigenstes Idiom. Mit den solistischen Einwürfen haben die Berliner das subtil ausgereizt. Zumal es darum ging, den formidablen Mezzo von Rinat Shaham (sie singt Salomes Pagen) ins Rampenlicht zu rücken. Sie spürte dem Gehalt der Worte in allen Facetten formidabel nach - vom zarten Einstieg bis in tief emotionalen Ausbrüche hinein.

altMit Aleksandr Konstantinowitsch Glasunows Violinkonzert bot Sir Simon der Geigerin Julia Fischer die Möglichkeit zum Debüt bei seinem Festival. Julia Fischer ist  längst kein „shooting star“ mehr, wurde von der Süddeutschen Zeitung in einer Reihe mit Nathan Milstein, Gidon Kremer oder Ida Haendel der Aufnahme in die Mediathek „16 Jahrhundert-Geiger“ für würdig erachtet - und war auch längst schon zu Gast in Salzburg.

2004 schon widmete sie sich mit dem Russischen Nationalorchester unter dem heuer verstorbenen Yakov Kreizberg dem 1904 entstandenen a-Moll-Opus 82 mit den drei rhapsodisch-spätromantische nahtlos ineinander übergehenden Sätzen. Erneut ergab sie sich mit betörender Klangsinnlichkeit den Lyrismen, die sich nach der Kadenz (aus der Feder des Komponisten Glasunow) zu anspruchsvollen Doppelgriff-Passagen und zur virtuosen Attacke des Allegro steigern.

Spontan bejubelt, setzte Julia Fischer im Alleingang mit dem Finale con brio der ersten Sonate op. 27 von Eugène Ysaÿe noch eins drauf. Auch Sir Simon hörte sich das an, war’s doch besonders passend: Der Belgier Ysaÿe war um 1880 an der Spree Konzertmeister des Bilse-Orchesters gewesen, also dem Vorläufer seiner Philharmoniker!

Russisch elegisch ausufernd dann zum Schluss Serge Sergejewitsch Rachmaninow Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27 - 1906/7 in Salzburgs Partnerstadt Dresden entstanden. Herbert von Karajan machte noch einen Bogen darum. Warum eigentlich? In der heutzutage üblichen ungestrichenen Originallänge ist sie ein ideales Vehikel, um - ohne die Hörer zu verstören - alle Vorzüge der Berliner Philharmoniker zur Entfaltung zu bringen. Wie schön die exzellent geblasene Klarinettenkantilene der großen „Liebesszene“ im Adagio! Simon Rattle widmete sich ausgiebig und voll Hingabe den einzelnen Instrumentengruppen, schürfte speziell aus den Bratschen immer wieder ihr klanglich und substanziell tragendes Material. Ersterben in Schönheit: Was willst du mehr?

 Bild: OFS/DECCA Uwe Arens

 

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