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Miniaturen, Raritäten, Preziosen

OSTERFESTSPIELE / KONTRAPUNKTE 4

26/04/11 Als die Serenade in Es im November 1882 in München uraufgeführt wurde, war Richard Strauss eben erst aktives Mitglied der nach einem ungarndeutschen Walzerkönig und Geiger benannten Münchner Orchesters „Wilde Gung’l“ geworden.

Von Horst Reischenböck

Dieser noch heute bestehende Münchner Klangkörper, den damals sein Vater Franz leitete, bot Richard die Möglichkeit zu praktischem Ausprobieren. Das kaum acht Minuten dauernde Andante op. 7 ist von Mozarts Gran Partita für 12 Bläser und Kontrabass angeregt, Strauss ersetzte den Kontrabass durch ein Kontrafagott. Wie nicht anders zu erwarten, wurde  das Stück am Ostermontag (25.4.) von Bläsern der Berliner Philharmoniker im motivischen Wechselspiel von Flöten und Oboen auf der einen Seite mit den gegenüber sitzenden Klarinetten stimmungsmäßig perfekt ausgeführt. Nicht zu vergessen die Nachtrufe der Berliner Hörner: War doch laut Hans von Bülow Franz Strauss der „Joachim“ auf diesem Instrument.

Die letzten „Kontrapunkte“ brachten ein Novum: Seit Bestehen der Kontrapunkte stand mit Sir Simon Rattle zum ersten Mal ein Chefdirigent der Berliner Philharmoniker auch im Großen Saal des Mozarteums vor seinen Musikern. Kontrapunkte-Initiator Claudia Abbado hatte die Reihe nur durch Zuhören geadelt.

Die Kontrapunkte haben sich ja inzwischen längst vom bloßen „Beipackzettel“ - als Möglichkeit der Orchestermitglieder, sich abseits der Orchesterkonzerte auch in unterschiedlichsten kammermusikalischen Formationen präsentieren zu können - zu thematisch gewichtigen, auf das Hauptgeschehen bei den Osterfestspielen bezogenen Akzenten gemausert.

Maurice Ravel schrieb 1905, im Jahr der Uraufführung von Strauss’ „Salome“, kurz nach Abschluss seines Studiums am Pariser Conservatoire, ein stimmungsmäßig mediterrane Nächte wachrufendes kleines Harfenkonzert. Die zehn Minuten von „Introduktion und Allegro für Flöte, Klarinette, Streichquartett“ rückten die damals noch junge, von Érard entwickelte Doppelpedalharfe erstmals explizit und auch mit einer Kadenz ins akustische Zentrum. Das Auftragswerk aus dem Hause Érard blieb übrigens ohne Nachfolger, da etwa Landsmann Albert Roussel später in seiner Serenade die Begleitung auf Flöte und Streichtrio reduzierte.

Für Marie-Pierre Langlamet bot das Werk die Möglichkeit, ihr sonst meist in den Orchesterhintergrund verbanntes Können zentral und auf virtuose Weise zu demonstrieren. Vorzüglich assistiert wurde sie von Stipendiaten der Orchester-Akademie der Berliner, von denen insgesamt 16 mit ihren renommierten Lehrern zusammen auf dem Podium agierten. Beispielsweise in Sachen Igor Strawinsky: Sir Simon Rattle hatte bereits das rhythmisch etwas vertrackte, im Duktus an die „Histoire du Soldat“ gemahnende Concertino für 12 Instrumente geleitet. Mit Konzertmeister Andreas Buschatz als Solisten, so wie auch im frühen Pastorale für Violine und Bläserquartett. Nach der Pause gab’s dann vorerst die Paarung des „Lieds ohne Namen“ für Fagottduo mit den zwei strahlenden Trompeten für die gut 45 Jahre später entstandene „Fanfare for a new Theatre“: Ouvertüre zu des Russen abwechslungsreichen, nichtsdestoweniger ihrem Titel entsprechend ebenfalls knappen acht Miniaturen für 15 Spieler.

Der grandiose Höhepunkt waren jedoch Richard Strauss’ „Metamorphosen“. Mit dem nach Goethe benannten Opus hatte sich Sir Simon schon vor 14 Jahren zusammen mit den Wiener Philharmonikern auseinandergesetzt. Hier nun schürfte er aus den handverlesen vom 1. Konzertmeister Daishin Kashimoto angeführten 23 Solostreichern der Berliner deren geradezu phänomenal gestalterisches und süffig tonales Potenzial. Man durfte mitempfinden, dass Strauss – auch wenn er den Marcia funebre aus Beethovens Eroica zitierte, an das Weiterleben seiner Kunst glaubte. Darüber durfte man einmal positiv nachsinnen - allerdings nur so lange, bis ein erstes lautstarkes Bravo eines davon offenbar weniger Beeindruckten den gedanklichen Faden abrupt und viel zu früh zerriss.

 

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