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Das Klangbild der Ringstraße

OSTERFESTSPIELE / BRUCKNER / ZUBIN MEHTA

02/04/12 Zuerst assoziiert man mit der Wiener Ringstraße Repräsentationslust in Form monumentaler Bauwerke. Doch es gehört nicht nur wuchtiger Sandstein dazu, auch Freiräume für die im Frühling sanft austreibenden Alleebäume. Also Großzügigkeit und urbane Lebensqualität.

Von Reinhard Kriechbaum

Dafür kann sogar Anton Bruckners Achte Symphonie stehen. Zubin Mehta greift sehr bewusst zu jener Zweitfassung, in der Bruckner auf Anraten des Dirigenten Hermann Levi viele der ursprünglich erdachten Schroffheiten eliminiert hat. Aus der restrospektiven Sicht, in Kenntnis der weiteren Musikgeschichte, mag man das bedauern. Die Hörer im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts werden dankbar gewesen sein, und es war für sie wohl stimmig, nach der Wiener Erstaufführung 1892 (einem der großen Erfolge für Bruckner) via Ringstraße nach Hause zu gehen.

Zubin Mehta ist in den fünfziger Jahren in Wien von Hans Swarowsky zum Wiener Dirigenten geformt worden. Wie wenige hat er das Gespür bewahrt für ein Klangbild, das in sich denkbar schlüssig, ja eins ist mit dem Städtebau der Epoche. Es gibt nicht mehr viele seiner Generation, die das einem Orchester so bezwingend, mit souveränem Überblick und auch noch mit der nötigen Spannkraft vermitteln. Wenn man am Sonntag (1.4.) im Großen Festspielhaus die Augen geschlossen hätte – man hätte sich ohne weiters einen Weg die Ringstraße entlang imaginieren können.

Die Dimensionen sind kein Thema für Zubin Mehta, schon gar nicht, wenn er vor den Berliner Philharmonikern steht. Die können erstaunlicherweise wie auf Knopfdruck umschalten von der analytischen, tendenziell schon sezierenden Musizierweise ihres Chefs Simon Rattle zu den großen Linien, wie sie Zubin Mehta in Sachen Bruckner vorgibt. Am Sonntag machte es gar den Eindruck, das Orchester habe sich liebend gerne darauf eingelassen, nach der Kammermusik-Übung, die am Abend zuvor für die Carmen-Partitur angesagt war.

Die Berliner haben Kraft und Resourcen schier ohne Ende. Der vergleichsweise hohe Energiepegel schon am Beginn in den Streichern – da könnte man sich ja bang fragen, ob das durchzuhalten ist. Mühelos! Und sie brachten auch eine Fülle warmer, lyrischer Klangfarben ein.

Mit intensiver Ruhe lässt Zubin Mehta die Blechtürme wachsen, wobei er äußerst sorgfältig tariert, ob nun Trompeten und Posaunen, Hörner oder Wagnertuben die jeweiligen Klangkronen aufsetzen. Jeder Forte-Gipfel wird mit schlafwandlerischer Sicherheit aufgefangen und reflektiert. Die akkurat gesetzten, gerade richtig gewichteten „nachschlagenden“ Paukentöne, die dynamisch genau ausgezirkelten Streicherfloskeln, in denen das Hymnische wieder und wieder gleichsam nachdenklich abgewandelt und reflektiert wird – das hatte am Sonntag Überzeugungskraft bis zuletzt.

Was man sich umso mehr gewünscht hätte, nach den schier nicht enden wollenden, nicht effekthascherischen, sondern auf einem Energie-Maximalpegel wie still stehenden Finaltakten: dass die Zuhörer durchgeatmet hätten und ihrerseits gedanklichen Freiraum gelassen hätten. Aber die so vorlauten Drauflos-Pascher und Bravo-Plärrer, Bekenner der eigenen Unmusikalität, gehören eben auch dazu.

In zweiten Zyklus ist Bruckners „Achte“ unter Zubin Mehta am Ostersonntag, 19 Uhr im Großen Festspielhaus zu hören. - www.osterfestspiele-salzburg.at
Bild: Osterfestspiele / Wilfried Hösl

 

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