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Er kommt ja DOCH im Sturm

PFINGSTFESTSPIELE / MARIENVESPER

09/06/25 Engel sind keine putzigen Wesen. Sie haben heikle Aufgaben als Boten oder Wächter, müssen als Security auch mal ein paar Unschuldige aus einer untergehenden Stadt eskortieren. Wenn so eine Truppe Zeit hat für Gotteslob, dann bringen sie damit Himmel und Erde zum Beben – eben so wie der Chor Il Canto di Orfeo in der Marienvesper mit dem Concerto Duo Seraphim.

Von Heidemarie Klabacher

Und die Menschen auf Erden sind auch von anderem Kaliber. Sie säuseln nicht frömmlich um Hilfe. In der Gewissheit, das Ihrige längst geleistet zu haben, werfen sie den Rest ihrer Anliegen selbstbewusst auf den Herrn. Falls dieser zufällig geruht hat, hat es ihn vom Thron gehoben – beim Ruf „Oh Gott komm mir zur Hilfe“, der einleitenden Intonation jeder Vesper. Deus in adiutorium meum indende!

Es folgte ein Brausen gut hundert Minuten musikalisch-alttestamentlicher Urkraft. Il Canto di Orfeo und Les Musiciens du Prince–Monaco vermitteln unter der Leitung von Gianluca Capuano das sanfte Säuseln des Windes mit jener Delikatesse, die in der tragfähigen Präsenz ihrer Pianissimi Himmel und Erde erfüllt – und das Publikum im Großen Saal des Mozarteums am Pfingstsamstag-Nachmittag mit Staunen. Denn mit der selben ur-musikantischen Leichtigkeit und technischen Präszision entfesselten die Ausführenden Winde, Erdbeben und Feuer.

Die Grundhaltung Tumult und Power tat der Präzision keinen Abbruch. Selbst bei spannendsten und qualitätvollsten Wiedergaben der Marienvesper erschloss sich noch selten so glasklar durchhörbar die revolutionäre Kompositionstechnik Claudio Monteverdis. Die Psalmtexte werden über oft lange Strecken einstimmig in den originalen Choralmelodien transportiert, um von den sagenhaft farbigen und vielgestaltigen Orchester-Effekten umtobt und umkämpft, aber auch lieblich umspielt und umhätschelt zuwerden. Dass Theorbe oder Harfe in den Händen der Virtuosinnen und Virtuosen so martialisch aufrauschen, wie Zink oder Posaune betörend „schalmeien“ können, potenziert die ohnehin unendliche Effekt-Palette.

Die bedrohliche und zugleich Sicherheit versprechende Verheißung vom künftigen Königreich im Psalm 109 Dixit dominus. Die wie opernhaftes Liebeswerben daherkommenden Verse im Concerto Nigra sum der solistischen Männer- und der solistischen Frauen-Stimmen im Concerto Pulchra.

Der geradezu „getanzte“ Psalm 147 Lauda Ierusalem. Die virtuosen Zinken- und Posaunen-Schnörksel im Orchesterpart zur Sonata sopra Sancta Maria, ora pro nobis über den kraftvollen Unisono-Rufen der Soprane. Die unwiderstehlichen Echo-Effekte im Concerto Audio coelum. Das schönste und leiseste aller „Amen“, jenes nach dem Hymnus Ave Maris Stella – jede einzelne Phrase, Kadenz oder Wendung vom Krieg zum Frieden in einem einzigen Takt müsste beschrieben werden. Tatsächlich in unruhigen Zeiten: Wie der sichere Hafen oder eine wind-abgewandte Bucht für den Segler nach dem Sturm im Sonnenuntergang waren in dieser Jahrhundert-Interpretation der Vespero della Beata Vergine die jeweiligen Amen-Wendungen. Ein Versprechen geradezu das Gloria Patri nach dem Magnifikat.

Bilder: SFS / Marco Borelli

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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