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Kleopatras Musikantenstadel

PFINGSTFESTSPIELE / CLEOPATRA ORIENTALE / VALERY GERGIEV

29/05/12 Den Sesto (aus Mozarts „Titus“) singt man am besten im Hosenanzug. Wie aber kleidet man sich für „Exsultate jubilate“? Salzburger Dirndl! Welch ein Glück, dass Anna Netrebko daheim ihre Bronchitis kuriert: Sonst hätte Cecilia Bartoli dieses Musikantenstadl-Finale nicht durchziehen können.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Moderator hieß aber nicht Andy Borg, sondern Valery Gergiev. Und der hat sich redlich abgemüht, Mozarts „Exsultate jubilate“ zu begleiten und zuletzt mit den rasenden Alleluja-Koloraturen der Bartoli mitzuhalten. Fazit: Es ist ganz unglaublich, wie schlecht ein Orchester spielen kann. Und das Schuhwerk zum Dirndl blieb nicht die einzige Primadonnen-Extravaganz. Trotzdem oder gerade deswegen: Jubel, Trubel, Heiterkeit.

Überaus ernsthaft sang am Pfingstmontag im Großen Festspielhaus Mojca Erdmann als Einspringerin ein Auftragswerk der Pfingstfestspiele an den Senior-Meister der zeitgenössischen Musik Russlands, den bald achtzigjährigen Rodion Shchedrin. „Kleopatra i zmeja“ (Kleopatra und die Schlange) ist eine gekonnt instrumentierte hochdramatische Szene, die den Sopran einbettet in ein im Volumen forderndes, irisierend flimmerndes orchestrales Klangsprektrum. Zeitgenössische Musik, die sich unmittelbar dem Hörer erschließt und trotzdem keinen Eklektizismus zeigt. Dafür, dass Mojca Erdmann das Stück in ein paar Tagen gelernt hat, muss man ihr höchsten Respekt zollen. Leuchtkräftig bot sie dem Orchester Paroli und nutzte Freiraum für lyrische Einsprengsel. Perfekt in der Intonation, völlig frei in den silbrigen Vokalisen – das hätte auch Anna Netrebko nicht besser machen können. Das gleiche Publikum, das die Bartoli im Dirndl hochleben ließ, hat auch da enthusiastisch reagiert.

altEin gar sonderbares Ding: die Ouvertüre „Antonius und Kleopatra“ von Anton Rubinstein. Zu dem Monster-Krawallstück bot die Ballettmusik aus Charles Gounods Oper „Faust“ einen zumindest von der Lautstärke her erholsamen Kontrast. Die Ballettmusik wird im Theater meistens gestrichen, und auf dem Prüfstand des Konzertpodiums hat man nur zu gut verstanden, warum. Mit dem berühmten Walzer (der nicht zur Ballettmusik rechnet) können sich diese läppischen Stückchen nicht messen. Das Orchester des Mariinski-Theaters St. Petersburg hat hier wie einige andere Male an dem Abend angedeutet, dass der Abstieg von der B- in die C-Liga droht.

Viel eher daheim sind diese Musiker in einem Stück wie Sergej Prokofjews Bühnenmusik zu „Ägyptische Nächte“. 1933/34 ist dieses nicht ganz einstündige klassizistische Werk entstanden. Es macht allemal Wirkung, auch wenn die Musik irgendwie kunstgewerblich anmutet und nicht entfernt an die dramatische Unmittelbarkeit etwa des Balletts „Romeo und Julia“ heran reicht. Man konnte sich auch an dem Trinklied für Bass (Alexei Tanovitski) erfreuen und an der Rezitation (in russischer Sprache) durch Chulpan Khamatova und Yevgeny Mironov.

Auch aus dem letzten Konzert der Pfingstfestspiele ist man mit dem Gefühl gegangen, viel Unbekanntes gehört zu haben, das zumindest das einmalige Gehört-Werden lohnt. Das ist doch ein wesentlicher Unterschied zu den vielen halbseidenen neapolitanischen Musik-Ausgrabungen der vergangenen Jahre. Und das musikalische Niveau war, sieht man vom Mariinski-Orchester ab, an allen vier Tagen absolut eines Festspiels würdig.

Bilder: dpk-Aumiller

 

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