asdf
 

Herr Joachim Roßini auf Promotion-Tour

AUSSTELLUNG / ROSSINIMANIA WIEN 1822

05/06/14 Früher war die Immigration ja noch überschaubar, da führte die „Wiener Zeitung“ Tagebuch etwa über „angekommene Ausländer und Inländer“. Dort findet sich der Eintrag: Joachim Rossini, Opern-Director, mit 6 Sangvirtuosen, von Neapel.“

Von Reinhard Kriechbaum

Und weil in Österreich der Amtsschimmel immer schon lauter wieherte als die Lipizzaner in der Hofreitschule, steht auch in der Zeitung, wo die Einreise des Rossini Joachim behördlicherseits archiviert wurde: „St.-Nr. 1086". Das war also am 23. März 1822. Wolken und heiter vermeldet der Wetterbericht auf derselben Seite, der Himmel über dem Angereisten mag also ausgeschaut haben wie auf den Biedermeier-Veduten der Zeit. Abends aber trüb, Regen.

Joachim Rossini also. Auf dem Titelblatt einer zeitgenössischen Bearbeitung seiner Oper „Das Fräulein vom See“ (bei „La donna del lago“ funkt’s beim heutigen Musikfreund) für Klavier vierhändig heißt er sogar „Joachim Roßini“. Bis Anfang Juli 1822, also nur etwas über drei Monate, war er in Wien, zwischen Aufenthalten in Paris und London. Heute würde man so etwas „Promotion-Tour“ nennen. Ein Karikaturist zeichnete Rossini prompt, wie er als musikalischer Chef-Kannonier die Luft mit Noten vollknallt. Ein anderer ironischer Zeichner hält ihn fest, wie er als etwas schmächtiger Athlet drei seiner Opernfiguren hochstemmt.

Dieser so unsäglich erfolgreiche Kraftlackel des Belcanto besuchte sogar Beethoven, der damals schon ziemlich taub war, also die Musik nicht hören konnte. Aber Noten lesen konnte er noch – und so sagte Beethoven, wiewohl ergrimmt über die „Rossinimania“ rundum, doch lobende Dinge über die Musik-Kompetenz des Joachim R. Dass es Italiener wie diesem an „Kompositionswissenschaft“ quasi schon aus geographischen Gründen mangeln musste, war unter Musikmeistern deutscher Zunge ausgemachte Sache. Aber gerade diese Kompositionswissenschaft scherte jene wenig, die damals des italienischen Opernmeisters Melodien in den Gassen pfiffen und die Theater stürmten.

Fans hatte Rossini bis auf allerhöchste gesellschaftliche Ebene: Metternich war bekennender Rossinianer. Der gestrenge Oberzensor des Vormärz war nicht nur Beifallspender, sondern schrieb später seinem „Cher Rossini“ auch einen Brief nach Paris und tadelte ihn, weil er partout nur mehr kochen und essen, aber nicht mehr komponieren wollte.

Zu ihrem Rossini gewidmeten Pfingstfestspielprogramm hat Cecilia Bartoli Leute vom DaPonte Recherche Center Wien (was es nicht alles gibt!) eine hübsche Ausstellung für den Schüttkasten zusammenstellen lassen. Die Wände des großen Kellerraums haben also eine den Biedermeier-Stil aufgreifende Tapete mit Rossini-Motiven bekommen. Viele Porträts, Zeichnungen von Theatern, Stadtveduten und Alltagsszenen illustrieren die Epoche. In Vitrinen liegen auch Noten, Textbücher – und sogar der Brief von Metternichs Feder an den Komponisten.

Wir werden daran erinnert, dass dieses Wien, das augenblicklich in einen Belcanto-Taumel sondergleichen verfiel, eigentlich das Wien eines Beethoven, Schubert, Diabelli, Carl Maria von Weber war.

Unter den „6 Sangvirtuosen“, die mit Rossini einreisten, war auch dessen Ehefrau Isabella Calibran. Auch sie kann man natürlich im Bild bewundern. Sie war eine gefeierte Sängerin. Man darf, wenn man so durch die Ausstellung schlendert, auch ein wenig bedauern, den Rossini-Originalklang nicht gehört zu haben. Die Sänger mussten sich damals noch ein bisserl weniger anstrengen bei den höchsten Tönen. Der Kammerton war niedriger. Aber es wurde schon geschraubt dran, und Rossini war an seinem Lebensende als Pariser „Inspecteur général du Chant“ Chef jener musikalischen Regierungskommission, die den Kammerton a mit 435 Hz festsetzte. Heute quälen wir uns noch ein bisserl höher ab. Vielleicht fehlt uns ein beamteter General-Gesangs-Aufpasser von sängerfgreundlichem Wesen eines Joachim R.

Die Schau „Rossinimania Wien 1822“ im Schüttkasten hinter der Pferdeschwemme ist bis 27. Juni von 10 bis 17 Uhr, während der Pfingstfestspiele bis 19.30 Uhr, geöffnet - www.salzburgerfestspiele.at/pfingsten/rossinimania-2014
Bilder: Salzburger Festspiele / Katalog

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014