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Die (Kunst)Welt im Leuchtkasten

REST DER WELT / MÜNCHEN / JEFF WALL

05/12/13 Der Ausstellungstitel täuscht ein wenig. "Jeff Wall in München", da gibt es keine Bilder vom Marienplatz oder aus den Isarauen zu sehen. Gemeint ist vielmehr Jeff Walls Beziehung zur bayrischen Kunstszene, die seit Jahrzehnten sehr intensiv ist.

Von Jörn Florian Fuchs

113Seine Werke wurden in München schon in den frühen 1980er Jahren besonders wahrgenommen, jetzt zeigt die Pinakothek der Moderne 19 Werke aus eigenem Bestand sowie privaten Sammlungen (unter anderem von Lothar Schirmer und Ingvild Goetz). Zur Eröffnung reiste Wall selbst an und hielt einen Vortrag, in dem er das Spezifische seiner Arbeit hervorhob: Es gebe eben gerade nichts Spezifisches, nichts zu Erklärendes! Er wolle sich und sein Werk nicht verorten, selbst der große, langanhaltende Erfolg beweise noch nicht, dass spätere Generationen etwas mit seiner Kunst anfangen könnten. Dies wirkte aufrichtig bescheiden, ja fast etwas ratlos.

Wer einmal - vielleicht zufällig - einen der berühmten Dia-Leuchtkästen Walls gesehen hat und womöglich allein aufgrund der merkwürdigen Helligkeit näher trat, wird dieses Erlebnis wohl nicht vergessen. Die Präsentationsform seiner Fotografien ist trotz mancher „Nachfolger“ das primäre Erkennungsmerkmal Walls. Doch dann kommen natürlich die Sujets, oft sind es unwirtlich-unwirkliche Räume, mal reine Natur, mal Menschen in prekären Situationen oder eine Mischung aus beidem. Das Brüchige, Gewalttätige, Schutzlose durchzieht Walls Motivkanon wie ein glühender roter Faden. Auch die vom Menschen vernachlässigte Umwelt spielt eine Rolle. Wall arbeitet bei vielen Bildern mit einer Mischform aus Inszenierung und Natürlichkeit, oft kommen filmische und skulpturale Komponenten hinzu.

114In der Pinakothek der Moderne überfällt einen gleich zu Anfang das riesenhafte Tableau "An Eviction" (1988/2004). Auf den ersten Blick erscheint da eine graue Großstadt, hässliche Wohnbaracken stehen neben unscheinbaren Reihenhäusern. Auffällig ist eine pompös geschmacklose Villa, die offenbar gerade fertig gebaut wurde und zum Verkauf steht. Hochbahnschienen sind zu erkennen, Hochhäuser im Hintergrund sowie ein paar Menschen auf den Straßen. Erst der genaue zweite oder dritte Blick lässt erkennen, dass in einem Garten ein Mann von Polizisten gestellt wird. Die vermeintlich zufälligen Passanten entpuppen sich als Voyeure. Die Geschichte(n) hinter dem Bild sind vom Betrachter zu interpretieren, meist hält Wall die Dinge offen, in der Schwebe.

009In "Jell-O" (von 1995) sieht man eine vermeintlich harmlose Szenerie. Zwei Kinder experimentierten offensichtlich mit Götterspeise, einiges von dem Glibberzeug befindet sich auf dem Boden, anderes an den Händen der Kinder. Zentrum des Bildes ist vielleicht die Schale mit dem umfangreichen Rest der Süßigkeit, diese scheint den Raum regelrecht zu erleuchten. Ein Kind kauert am Boden und wirkt mit seinen verschmierten Händen wie ein melancholischer Verbrecher, der auf seine Strafe wartet. Ein Obstkorb und das spärliche, pittoreske Geschirr erinnern an flämische Interieurs, rechts oben kleben an einem Schrank dagegen zwei abstrakte Malereien, die ebenso von Kinderhand wie von Per Kirkeby oder Karel Appel stammen könnten. Die grellen Farben finden sich auch im ganz in der Nähe hängenden Küchentuch wieder...

Die Vieldeutigkeit von Walls Werken wird in München - vielleicht unfreiwillig - noch dadurch erhöht, dass sich vereinzelt Spiegelungen ergeben, so bleibt einem ein gerade gesehenes Bild manchmal noch etwas erhalten, weil es der nächste Leuchtkasten reflektiert.

Beim Verlassen der Ausstellung kommt man dann direkt an den variantenreichen Holzkästen des US-Minimalisten Donald Judd vorbei, auch dies eine durchaus spannende Koinzidenz.

Bis 9. März 2014 in der Pinakothek der Moderne, München. Der exzellente Katalog kostet 39.80 Euro – www.pinakothek.de
Bilder: Pinakothek der Moderne / Jeff Wall

 

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