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Wetterleuchten über Halskrausenhöflingen

REST DER WELT / ERL / RIGOLETTO

08/07/13 „War's schön?“ Mehr wollen die Leute vom Hotel im Erl-nahen Walchsee beim Frühstück nicht wissen. Den Befragten sahen sie gestern Abend im Opern-Schwarz in Richtung Erl wegfahren. Sie wissen sehr wohl: Die erste Oper der Tiroler Festspiele 2013 (4. – 28. Juli) ist „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi.

Von Hans Gärtner

026Erste Sommerspielzeit also im – nach einem halben Jahr – immer noch neuen Festspielhaus auf der grünen Wiese des 1500-Seelendorfes an Bayerns Tiroler Grenze, das Hans Peter Haslsteiner mit seinem Freund Gustav Kuhn hier als pures Kultur-Wunder hingestellt hatte. Schön ist gar kein Ausdruck.

Was im „Rigoletto“ über die Bühne geht, ist allerdings, man weiß es, alles andere als „schön“. Es geht um Mädchen-Raub, Rache und Mord am fürstlichen Hof von Mantua, wo ein weibergeiler Herzog sich partout die – vom Hofstaat als Geliebte verkannte – Tochter seines Narren ausgeguckt hat, die dann der sie innig liebende Vater, einer Verwechslung zufolge, als Tote zu beklagen hat. Ein Schauer-Drama, dieses Libretto. Verdi griff es mit geschmatzten Händen auf, und vertonte es so hinreißend, dass man schon bald nach der Uraufführung die Melodien von den Dächern pfiff.

An Verdis Verismo-Popularität hielt sich Gustav Kuhn (die Landes-Presse taufte ihn, der für diesen Erler Sommer vom Wagner- zum Verdi-Anwalt mutierte, liebevoll in Gustavo um) gut und gerne. Er führte – nicht nur Regie, sondern auch – Orchester und Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl sowie ein erlesenes Solisten-Ensemble mit Verve, Pikanterie und praktischem Verstand. „Viva Verdi, viva Gutavo!“ Aus dem 160 Mann fassenden größten Orchestergraben der Welt schlug es gezügelt feurig Funken, säuselte eine gemixte Chor-Riege gar schön-schaurig Sturmesgebraus zum Wetterleuchten, brillierten (zu Anfang) schlankes Blech, (mittendrin) sonore Bassgeigen und (gegen Ende) sanft-letale Streicher, als der gefoppte Hofnarr den Jutesack mit der erdolchten Gilda, seinem Ein und Alles, dem Bühnenboden überließ.

Kuhns klug geführte Kern-Sängerschaft, die im cool-steifen, auf Symmetrie bedachten, weinrot ausgelegten und dunkelblau getäfelten, fast zu sterilen (die „Orgien“ im 1. Akt gänzlich negierenden) Bühnenbild von Jan Hax Halama und in den wieder perfekt-kostbaren Kostümen der Lenka Radecky überzeugend agierte: ein Glücksfall.

James Roser als Titelheld: eine Nummer zu wenig hintergründig, stimmlich noch im „o.k.“-Bereich. Il duca di Mantova alias George Vincent Humphrey: so umfangreich wie sein Name, mit tadellos „fettem“ Tenor die „donne mobile“ besingend. Die Gilda der Georgierin Sophie Gordeladze: ein Geheimtipp mit edlem, gut anspringendem, fast intonationssicherem, Glitzer- Unschulds-Sopran. Diabolo Sparafucile (Yasushi Hirano) und Kumpanin Maddalena (Michela Bregantin) gaben ein schwarzsamtig verruchtes Verführer-Pärchen, und Johannes Schmidt donnerte zu verhalten seinen Monterone-Fluch, an dem Rigoletto zu knabbern hat. Als einziger am Hof zu Mantua trägt er, der verspottete Spötter, die Halskrause nicht weiß, sondern lila. Ein Hinweis auf Unschuld da, Buße dort? Geht nicht ganz auf. Eher Vorgriff auf Verdis „Falstaff“: Alles ist nur ein närrisches Spiel! Da schleicht sich – wie denn das? – als Bild der halsbekrauste „Bajazzo“ des Leoncavallo ein. Auch eine Oper mit tödlichem Ausgang.

Wie dem auch sei: „Schön war`s“. Die Leute vom Hotel im Erl-nahen Walchsee schauen ein ganz kleines bisserl neidisch auf den Gast, der gestern Abend im „Rigoletto“ war.

Die nächste Premiere gilt am 12.7. „La Traviata“, am 27.7. folgt „Nabucco“ - www.tiroler-festspiele.at
Bild: dpk-Hans Gärtner

 

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