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Sehr hübsch und lieb

REST DER WELT / WIEN / DIE ZAUBERFLÖTE

26/11/13 Im Vergleich zu anderen Produktionen im Fundus der Wiener Staatsoper war die letzte „Zauberflöte“ noch geradezu taufrisch. Jüngst wurde sie durch eine Neuinszenierung ersetzt. Hübsche szenische Einfälle, musikalisch solide einstudiert.

Von Oliver Schneider

106Repertoiretauglicher sollte die „Zauberflöte“ sein, was für das Haus am Ring aufgrund seines Auftrags zentral ist. Nun, zumindest das Bühnenbild kommt dieser Vorgabe nach (Christian Fenouillat). Im Hintergrund des Einheitsbühnenbilds blickt man auf eine hässliche, rostbraune Wand mit einem grossen Portal in der Mitte, durch das die in den Kreis der Eingeweihten aufgenommen Tamino und Pamina am Schluss schreiten. Gespielt wird vor der Wand oder etwas weiter vorne vor einem weissen Vorhang des auf der Bühne verlängerten Portals – nach dem Prinzip „Bühne auf der Bühne“. In diesem szenisch kargen Spielraum verlangt das flämisch-französische Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier von den Protagonisten und dem sonstigen Personal zum Ausgleich einiges. Markus Werba als erfahrener Papageno und begnadeter Singschauspieler ist damit in seinem Element, sei es, wenn er sich vor Angst vor der Prüfungsreise im Zuschauerraum versteckt, oder sei es, wenn er mit dem heiß ersehnten Weibchen anbandelt. Benjamin Bruns als Tamino muss sich zwar nobler zurückhalten, füllt seine Rolle aber genauso glaubwürdig aus.

Auch stimmlich erfüllen die beiden alle Erwartungen, die man mit einer Aufführung in einem der ersten Opernhäuser der Welt erwartet. Bruns besitzt einen charismatischen lyrischen Tenor und weiß dank einer vorbildlichen Pianokultur ein inniges Gefühl in die Stimme zu legen. Unüberhörbar ist, dass sie bereits in dramatischere Gefilde drängt. Es wird interessant sein, seine weitere Entwicklung zu beobachten. Markus Werba ist mit seinem wohltönenden, kernigen Bariton vokal genauso unanfechtbar wie darstellerisch.

108An dieses stimmliche Niveau kann am ehesten noch Chen Reiss als schauspielerisch etwas spröde Pamina anschließen, während Olga Pudova als Königin der Nacht die Erwartungen nicht erfüllt. Störend sind ihr Grundvibrato und vor allem ihre unbefriedigende Diktion, wogegen die Koloraturen sauber gelingen. Brindley Sherratt gibt den Eingeweihtenfürst Sarastro rollendeckend. Das Regieteam lässt ihn auf Stelzen herumstolzieren, während seine Priester und Untertanen in grauen Anzügen und mit Hüten wie Mafiosi daherkommen (Kostüme: Agostino Cavalca). Für das Outfit des Monostatos stand wohl ein in Deutschland beliebter Schlagersänger der siebziger und achtziger Jahre Pate (Thomas Ebenstein). Als Papagena darf Valentina Nafornita ihren Charme spielen lassen. Die drei Damen sind bei Leiser/Caurier wie so oft spät pubertierende Girls, und Alfred Šramek ist schließlich ein sonorer Sprecher.

Erwähnt seien noch einige hübsche Regieeinfälle. So dürfen zum Beispiel zu Taminos „Wie stark ist nicht dein Zauberton“ Bären miteinander tanzen, Flamingos über die Bühne tippeln und sogar ein zahmer Drache hereinschauen. Und zu Papagenos Glockenspielklängen (Glockenspielklavier: Thomas Lausmann) tanzt die österreichische Polizei. Ach ja, Markus Werba muß bei seinem Auftrittslied beweisen, dass ihm auch seine (echten) Vögel nicht folgen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ideen, die den Reiz der Produktion ausmachen, nicht im Repertoirealltag hemmungslos gestrichen werden, weil das präzise Spiel mit Probenaufwand verbunden ist. Es gibt ja noch genug Uraltproduktionen, in die sich Ensemblemitglieder und Gäste probenlos einpflanzen lassen.

107Nach der Salzburger „Così fan tutte“ ging man mit einem leichten Stirnrunzeln in diese „Zauberflöte“, steht doch Christoph Eschenbach am Pult des Staatsopernorchesters. Die Überraschung war umso erfreulicher, animierte Eschenbach die sehr gut disponierten Musikerinnen und Musikern doch zu einem flüssigen, prägnanten und recht durchsichtigen Spiel. Klar, Eschenbach ist nicht Nikolaus Harnoncourt oder René Jacobs, aber man soll nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Zum Glück erlaubt Musik verschiedene Sichtweisen.

Alles in allem bietet diese „Zauberflöte“ also einen vergnüglich-harmlosen, anders als die Grazer Neuinszenierung unverkopften Abend. Aber auch nicht mehr, und das ist eindeutig zu wenig für ein Haus wie die Staatsoper. Wirklich szenisch überzeugen konnten in den letzten Jahren lediglich Hindemiths „Cardillac“ und Rossinis „La Cenerentola“, über die Versuche an den Da Ponte-Opern von Mozart und anderes schweigt man besser. Mag es das Theater an der Wien mit seinem Stagione-Prinzip einfacher haben und gelingt auch dort nicht alles, so macht dieses Haus doch der Staatsoper zurzeit in puncto Neuinszenierungen der ersten Rang in Wien streitig.

Weitere Vorstellungen bis 2. Dezember, Live-Stream am 27. November – www.staatsoper.at
Morgen Mittwoch (27.11.) gibt es eine Übertragung auf der neuen Livestream-Schiene: www.staatsoperlive.com
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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