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Machte Beethoven Parteisoldaten?

ZEITGESCHICHTE / WIENER PHILHARMONIKER (3)

14/03/13 „Wer eine Symphonie Beethovens richtig verstanden hat, ist nachher auch ein besserer Soldat, das schwör‘ ich dir!“, lässt der Schriftsteller Friedrich Schreyvogl in seinem Roman „Eine Schicksalssymphonie“ (1941) einen philharmonischen Cellisten sagen.

ZEITGESCHICHTE / WIENER PHILHARMONIKER (3)

14/03/13 „Wer eine Symphonie Beethovens richtig verstanden hat, ist nachher auch ein besserer Soldat, das schwör‘ ich dir!“, lässt der Schriftsteller Friedrich Schreyvogl in seinem Roman „Eine Schicksalssymphonie“ (1941) einen philharmonischen Cellisten sagen.

Von Reinhard Kriechbaum

Inwieweit könnte diese – hoffentlich ja doch erfundene? – Romanfigur der damaligen politischen Denk-Wirklichkeit im Orchester entsprechen? Das Historiker-Material, das nun auf der Homepage der Wiener Philharmoniker online steht, ist ergiebig. Es lohnt sich, genauer zu lesen und es nicht bloß auf die Aussagen in Sachen Neujahrskonzert und Schirach-Ehrenring abzutasten. Da werden von den drei Autoren – Oliver Rathkolb, Bernadette Mayrhofer und Fritz Trümpi – eben nicht nur die „kritischen“ Jahre rund um Anschluss und Nazi-Diktatur betrachtet, sondern es wird auch der ideologische Weg des Orchesters in den Jahrzehnten vor dem Anschluss aufgeschlüsselt.

Die „Demokratie der Könige“ (so ein gängiger Topos über die sich gerne als selbstbestimmt definierenden Philharmoniker) verstand sich schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs als nationalstaats-tragend. Anlässlich der Pariser Weltausstellung 1900 hatte das Orchester von Camille Saint-Saens eine Auszeichnung erhalten. Als der französische Komponist mit Deutschland-kritischen Äußerungen aneckte, solidarisierten sich die Philharmoniker rasch mit Deutschland. Die dem Orchester verliehene „Goldene Eichenlaubkrone erschiene als Auszeichnung von solcher Seite nun vollständig entwertet“, heißt es in einem Sitzungsprotokoll des Orchestervorstands von 1914, man wolle „diesen Gegenstand dem Oesterr. Roten Kreuz zur Einschmelzung zu überweisen. Der Antrag wird mit Beifall angenommen.“

Politisch definiert war so mancher Auftritt der Philharmoniker. Da spielte man während des Ersten Weltkriegs in Lausanne und eliminierte wohlweislich Berlioz, um nur ja nicht in den Verdacht des Sympathisierens mit Frankreich zu kommen. Das Publikum in der Westschweiz war darob irritiert.

1925 gastierten die Philharmoniker in München, es gab auch politische Reden: Als „Sendboten der Zusammengehörigkeit aller deutschfühlenden und deutschgesinnten Volksteile“, begrüßte der dortige Bürgermeister das Orchester. „Ob sie nun diesseits oder jenseits dieser unnatürlichen Grenzen wohnen, ob auch die Vereinigung, die unausbleiblich ist, früh er oder später kommt, nichts wird die Kulturzusammengehörigkeit trennen können, zu der wir uns bekennen.“

In den dreißiger Jahren waren die Philharmoniker in Rom zugegen – Italien als Schutzmacht für ein selbständiges Österreich gegenüber Deutschland war damals ja durchaus noch eine politische Option. So ist die Linie der Philharmoniker durchaus nicht geradlinig, aber eben immer politisch zumindest mitmotiviert. Damals traten die Wiener Philharmoniker übrigens auch als erstes Orchester im Vatikan auf.

Des Historikers Fritz Trümpis Conclusio über das politische Verständnis unmittelbar vor dem Anschluss: „Durch den Machtausbau der Vorstandsposition ebenso wie durch die vielfältige Übernahme einer staatspolitisch wirksamen Österreich-Repräsentation war das Orchester 1938 in einer Weise konfiguriert, die den Nationalsozialisten nach dem ‚Anschluss‘ die politische Inanspruchnahme der Wiener Philharmoniker umso leichter ermöglichte. Hinzu kommt, dass das Orchester bereits seit 1933 über eine Vielzahl an illegalen Parteimitgliedern verfügte, was dessen Eingliederung in die nationalsozialistische Kulturpolitik zusätzlich erleichterte.“

„Der Kern der NSDAP-Sympathisanten im Orchester der Wiener Philharmoniker, hat sich bereits 1931/32 im Rahmen der NSBO – der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation Staatsoper – organisiert“, so Oliver Rathkolb. „Die treibenden Kräfte der NSBO, die nicht klassische gewerkschaftliche Arbeit machen, sondern als politische Organisation für die NSDAP bei der Arbeit in Betrieben Agitation betreiben sollten, waren u.a. der Hornist Leopold Kainz, Karl Swoboda (Oboe) und Wilhelm Jerger (Kontrabaß).“ Die drei waren dann auch wichtige  Protagonisten während der Nazi-Zeit.

Der „Stillhaltekommissar“, der unmittelbar nach dem Anschluss, in den Wochen vor der Volksbefragung, die Vereine mundtot machen und Allianzen verhindern sollte, hatte bei den Wiener Philharmonikern nicht viel zu tun. Von Aufmüpfigkeiten oder überbordender Zivilcourage ist im Historiker-Bericht kaum etwas zu lesen. (Wird fortgesetzt)

Die Historiker-Dokumentation über die Wiener Philharmoniker
in der Nazi-Zeit online: www.wienerphilharmoniker.at
Zur ersten Folge „abgereist IX 38“
Zur zweiten Folge"My dearest Nazi"
Zur vierten Folge Ein Klang, so wunderbar judenrein…

 

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