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Figurenschach

OTHELLO / BALLETT / LANDESTHEATER

05/11/18 „Ich töte dich, und liebe dich nachher“, lässt Shakespeare Othello sprechen, kurz bevor er seine Geliebte erdrosselt. In Reginaldo Oliveiras Ballettinszenierung von Shakespeares Tragödie spricht Othello nicht - er tanzt. Und damit ist alles gesagt.

Von Franz Jäger-Waldau

Sind sie auch still: Die Sprache wird Shakespeares Figuren von der im Landestheater inszenierten Ballettfassung an keiner Stelle genommen. Reginaldo Oliveira übersetzt ihre Form lediglich ins Tänzerische: Die Figuren sprechen, aber sie sprechen in Figuren.

Die komplexe Handlung des Dramas wird dabei auf Grundmotive und Grundstimmungen konzentriert: Liebe, Macht, Eifersucht. Der venezianische adelige Othello (gespielt von Flavio Salamanka) befördert einen seiner untergebenen Soldaten, wobei er den jungen Bannerträger Jago (Iure de Castro) übergeht. Jenen verzehrt die Zurückweisung zutiefst. Er schwört, Othello diesen Schmerz selbst spüren zu lassen. Die Schneise seiner Rache zieht sich durch den feingeschliffenen Cassio (Lúcio Kalbusch), über die eigene Familie bis hin zur von Othello geliebten Desdemona (Márcia Jaqueline). Alle Figuren werden zuletzt zu Jagos Figuren.

Seine manipulative Macht ist in der Ballettinszenierung durch körperliche Verfügungsgewalt verbildlicht: Jago ist choreographisch überlegen, tänzerisch potenter. Er nimmt im Ensemble eine Meta-Rolle ein, was deutlich im Paartanz mit anderen Figuren aufscheint: Immer wieder schert Jago aus dem gleichförmigen Rhythmus aus, umspielt das Geschehen mit abweichenden Läufen und figuriert seinen Zorn in Drohgebärden als Skorpion mit erhobenem Stachel. Sein Gift überträgt zuletzt nicht nur die eigene Eifersucht, sondern auch seinen Schmerz: „Dieser Schmerz ist wie des Himmels; strafend, wo er liebt“, flüstert bei Shakespeare der zerstörte Othello seiner schlafenden Desdemona noch kurz vor der Ermordung zu.

Aber ganz ohne Worte, allein durch Bewegung bildet hier die feinfühlige Choreographie die verschiedenen Charaktere heraus. Details sind geradezu zärtlich eingezeichnet: So fällt etwa Desdemonas Tuch - das Instrument von Jagos Intrigenspiel – im Tanz nicht einfach von ihr, sondern sein Fallen erhält eine eigene (Tanz-)Figur. Kampfszenen sind von wilder Eleganz, die finale Mordszene brutal, vielleicht gerade, weil sie sprachlos ist. Damit beweist das Ballett, dass in der Darstellung besonders die Zerstörung von Formen selbst eine fehlerlose Form braucht. Solche Gesten machen offensichtlich, dass diese Inszenierung das Stuck ernst nimmt, sie schenkt sich seiner Idee, anstatt diese bloß zu gebrauchen. Die Übersetzung ins Tänzerische funktioniert, weil sie ihrer Technik sicher ist, weil sie sich nicht scheut, aus eigenen Formen in andere zu schöpfen.

Auch das Bühnenbild übernimmt das Verfahren einer begriffslosen Bewegungssprache: Auf einer Drehscheibe wendet eine genial konstruierte Kulisse handlungsabhängig dem Publikum verschiedene Gesichter zu. Damit ist alles ist in Bewegung – sogar der Raum selbst. Die Musikauswahl untermauert die erhabene Stimmung tiefer: Arvo Pärts meditative Motive (etwa aus Fratres) schwingen wie schwere Wasserkörper zwischen den Figuren auf und ab. Allein der knappe zweite Teil des Stücks überspannt den sonst vorsichtig gezogenen dramatischen Bogen leicht; eine Freiheit, die sich die Inszenierung an dieser Stelle nehmen darf. Denn das Drama scheint an vielen Stellen mehr an Oliveiras Ballettinszenierung als an den meisten Theaterinszenierungen zu gewinnen. Ein Experiment, das dem Theater zeigt, was es könnte, wenn es nur einmal kein Theater sein müsste.

Othello - weitere Aufführungen im Landestheater bis 23. April 2019 -  www.salzburger-landestheater.at
Fotos: Anna-Maria Löffelberger

 

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