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Alles Lüge. Oder: Einfach abschalten

KLEINES THEATER / ARTFEEDERS / ESC.

16/10/2014 Ein Clown steht auf der Bühne - rot blau kariertes Hemd, rote Hose, Hosenträger. Dazu ein schwarzer Hut, der an Charlie Chaplin erinnert. Ein Clown, der mit einem Besen in der Hand in aller Ruhe den Boden fegt? Gehört erschon zum Stück? Die Produktion „ESC“ der Gruppe „Artfeeders“ stellt Fragen zum Medienzeitalter.

Von Alicia Tuchel

Was hat der Clown mit dem Stück zu tun? Ist er schon Teil der Produktion oder nur die Vorschau? Vor solch zunächst einfachen Fragen stand das größtenteils junge Publikum vor Beginn der Vorstellung, als es gegen 20 Uhr in den Saal des Kleinen Theaters Salzburg eingelassen wurde - in Erwartung der Premiere des Stückes „ESC“ der Gruppe „Artfeeders“.

Was der Clown gerade noch an Lieblichkeit, jugendlicher Unschuld und Lebensfreude ausstrahlte, wurde jäh ausgelöscht, als ein ganz in schwarz gekleideter Mann mit starren kalten Augen, die Bühne betrat und zu schriller Musik tanzte, sich auf dem Boden wälzte: Keine Frage - hier handelt es sich um das Böse, das immer wiederkehren sollte.

Das schauspielerisch sehr gut umgesetzte Stück zeigt in einander abwechselnden Szenen etwa Mobbing unter Jugendlichen oder ein junges Paar, das mit Liebesfreud und Liebesleid zu kämpfen hat. Dass es sich hierbei um die Darstellung einer typischen Daily-Soap handelte, war jedoch nicht eindeutig zu erkennen. Vielleicht hätten hier noch einige Elemente des TVs optisch nachhelfen können. Eindeutiger wurde es in anderen Szenen. Im KidsCorner klärte ein übermotivierter Moderator gemeinsam mit einem Scheinexperten offensichtlich sinnfrei über richtige Tierhaltung auf: „Was dreckig ist, ist krank. Deswegen haben wir saubere Betonhallen für die Tiere gebaut.“ Als dann noch von Tiermehl gesprochen wurde als wäre es feinstes Futter, konnte die Fernsehpuppe Rüdiger Lupenrein nur noch den Kopf schütteln: „Alles Lüge!“ Weiters wurde ein Nachrichtenmagazin „gezeigt“, in der es gerade noch um die Flüchtlingsproblematik in Syrien ging, das sich dann jedoch ohne Umschweife einem für die Gesellschaft offenbar wichtigeres Thema zuwendete: den „electronic-sports“. Der dazu eingeladene Experte „Ilois77“, der den typischen wortkargen, sozial verarmten Computerjunkie präsentierte, war nur noch fähig in Kürzeln und Ellipsen zu sprechen. Aber: „Eigentlich mag ich gar nicht Computerspielen, ich würd viel lieber was anderes machen. Gärtner zum Beispiel.“

Bekannte Hits aus jüngster Vergangenheit, wie etwa John Legends „Tonight“ (2012), Birdy´s „Skinny Love“(2011) oder NeYo´s „So sick“ (2006) führten das begeisterte Publikum zusätzlich zu den virtuosen Tanzeinlagen der HipHop-Szene auch auf auditiver Ebene durch die einzelnen „Auf und Ab“- Stimmungen.

Auf ganz einzigartige Weise zeigt der Autor von „ESC“, Franz Günter Moser, die Ein- und Auswirkungen auf, die die modernen Medien mit sich gebracht haben: Lüge wird für Wahrheit verkauft, Show steht vor Realität. Von Superhelden und bösen Schurken, von Liebe und Intrigen, von Shows und Magazinen lassen sich die Menschen in eine Scheinwelt mitziehen und kehren der Realität den Rücken zu. Sie fliehen und hier steht das Kürzel des Titels „ESC“ gerade richtig für: „escape“.

Auch wenn es so scheint, als würden wir in diesen Bann mitgerissen und seien machtlos, macht das Stück doch an mehreren Stellen deutlich, dass der Mensch es selbst in der Hand hat, welche Sendungen er schaut - so wie der Clown, der im Theaterstück doch immer wieder auftauchte, mit einem Hebel von einem Nachrichtenmagazin, über eine Modesendung, zum Homeshopping-Kanal, über einen Erotiksender bis hin zu einer Modesendung zippte und schließlich bei „DSDS“ stehen blieb.

Wann schalten wir ab? Wollen wir abschalten? „Soll es weiter gehen?“, diese Frage stellte der Clown am Ende der Aufführung mit einem Alpenveilchen in der Hand. Und das Publikum hat entschieden.

Esc. – Aufführungen im Kleinen Theater bis 1. November - www.kleinestheater.at

Bilder: Kleines Theater/Frank Wimmer

 

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