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Wolf!!!

GLOSSE

Von Reinhard Kriechbaum

24/05/17 „In Salzburg reden alle vom Wolf, aber niemand kümmert sich um die Großmutter“, so Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer heute Donnerstag. Sie spielte damit auf den Mangel an Pflegekräften an.

Der Wolfs-Hype ist in den Printmedien allemal gut für Seite-eins-Bilder, für doppelseitige Reportagen. Schlechte Erfahrungen mit Meister Isegrim hat schließlich jeder von uns schon im Kinderzimmer gemacht, als Mama oder Oma an der Bettkante saßen, mit dem Grimm'schen Märchenbuch in Händen. Rotkäppchen trug zwar kein solches, sondern ein heutzutage durchaus verdächtiges Kopftuch, wenn man den Illustratoren trauen darf. Aber ein im deutschen Tann gefressenes braves Mädel taugt allemal dazu, den Wolf dauerhaft zu verteufeln.

Der Wolf ist also ein ganz, ganz Böser. Leserbriefschreiber in solcher Zahl können gar nicht irren. Wenn wir zudem lesen, dass potentielle Schäferhunde die Herden nicht nur vor dem Wolf in Schutz nehmen, sondern womöglich auch Wanderer und – horrible Vorstellung – Mountainbiker verbellen könnten, dann wird uns die Dimension der Wolfsbedrohung und des schier aussichtslosen Kampfs dagegen erst so recht bewusst.

Es gilt, mediale Prioritäten setzen. Die türkis-blaue Regierung passt gerade im Handstreich den ORF ihrer Farbstrategie an. Wir können also getrost drauf bauen, dass das Wolf-Placebo auch dort bald jene Themen überlagert, die der journalistischen Medikamentation harren. Die Krankenkassen werden soeben ihrer ursprünglichen Intention beraubt: Gewerkschaften und Sozialdemokraten haben sie einst erfunden, um den Werktätigen eine entsprechende Gesundheitsversorgung zu sichern. Wir rufen: Wolf!!! Der Innenminister hat mit blauen Gefolgsleuten den Einmarsch beim Verfassungsschutz geprobt, denn es ist nie zu früh, sich ins Handwerk der Informationsbeschaffung einzuüben. Wolf!!! Die problematische Sache mit den Deutschklassen? Auch da ist der Wolf mehr als willkommen. Es trifft eh nur die Underdogs, die wir gerne aus den Augen haben und schon gar nicht in den Schlagzeilen sehen wollen. Das selbe gilt für die Kürzung der Sozialleistungen bei denen, die noch nicht lang genug in unser „System“ eingezahlt haben.

Gerade wird ausgiebig der Achtundsechziger-Jahre gehuldigt. Jedes der erwähnten Themen und noch manch anderes auf der To-do-Liste der neuen Regierung hätte vor fünfzig Jahren Menschen in Menge auf die Straße gebracht. Machthaber damals waren nicht zu beneiden. Das Grundübel für die Regierenden: Der Wolf war zu der Zeit so gut wie ausgestorben. Er war nicht schlagzeilentauglich.

 

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