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Kristallpaläste aus Klang

STIFTUNG MOZARTEUM / LOCKENHAUS

05/10/12 Vom gemütlichen Wohnzimmer hinauf in Extremsphären der Kammermusik - wo die Luft für die Musiker dünn wird und sie dem Zuhörer überhaupt wegbleibt - führte das jüngste Konzert der Stiftung Mozarteum, abermals im Großen Saal. Das Publikum sprang nach dem letzten Akkord, und einer erstaunlich langen Sekunde des Nachklingen-Lassens, zum Applaus auf wie ein Mann.

Von Heidemarie Klabacher

Dabei hat alles recht gemütlich begonnen. Die Musiker, beim Einlass schon auf der Bühne, haben sich im „Wohnzimmer“ mit Sofa, Tischchen und Sessel, Wäscheständer, Laptop und Teetasse sichtlich wohl gefühlt, geplaudert – und sich vom hereinströmenden Publikum in ihrer Feierabendruhe nicht stören lassen.

Bis dann die Alltagsgeräusche – Herumklappern auf der Computertastatur, Bleistiftgeklopfe als Nachdenkhilfe beim Briefschreiben, traumverlorenes Klimpern auf Teetasse oder Tischbein – langsam Struktur erkennen ließen. Sie nahmen Gestalt an und an Lautstärke und Dynamik zu. Und schließlich wurde draus John Cages legendäre „Living room Music“.

Für die vier Sätze des 1940 entstandenen Stücks werden Alltagsgegenstände – wie sie eben im Wohnzimmer herumstehen – zu Perkussionsinstrumenten. Im zweiten Satz „Story“ werden die Buchstaben, Silben und Worte der kurzen Textphrase „Once upon a time“ rhythmisch rezitiert und erzählen genau die „Geschichte“, die einem halt grad’ durch den Kopf geht. Im Satz „Melody“ schwebt eine kleine Melodie über der rhythmischen Grundstruktur, die Wahl des Instruments hat John Cage den jeweiligen Ausführenden überlassen: Der Geiger Pekka Kuusisto hat diese Melodie leise vor sich hin gepfiffen, was zur intimen Atmosphäre des Wohnzimmers hinreißend gut gepasst hat: So poetisch, so klangvoll, hat man diese Kostbarkeit von John Cage noch nie gehört.

Unter dem Titel „Lockenhaus“ waren fünf Ausnahmemusiker zu Gast: Die Geiger Barnabás Kelemen und Pekka Kuusisto, die Geigerin und Bratschistin Katalin Kokas, der Cellist Nicolas Altstaedt – der Künstlerische Leiter des Festivals Lockenhaus – und der Klarinettist Reto Bieri.

Auf Cage folgte eine Auswahl aus den „44 Duos für zwei Violinen“ Sz. 98 von Béla Bartók, von Barnabás Kelemen und Katalin Kokas mit Verve und unbändiger Lust am Musizieren gespielt. Ging es hier – bei aller Virtuosität – mitreißend heiter zu, führte mit Maurice Ravels selten gespielter Sonate für Violine und Violoncello a-Moll der Weg schon steil hinauf Richtung glasklarer Gletscherschlünde: Gespielt haben Pekka Kuusisto und Nicolas Altstaedt. Eine der Forderungen des Komponisten ist es, die Instrumente im Klang einander anzunähern: Tatsächlich waren die Lagenübergänge zwischen den beiden Instrumenten oft kaum mehr auszumachen. Geige und Cello bewegten sich im Klang immer wieder an der Grenze zum Verschwinden, um plötzlich mit dem Fortissimo eines berstenden Eisberges zu erschrecken. Ironisch-fragile und zugleich ungebärdig-wilde Motive prägen dieses Stück der Extreme ebenso, wie tänzerisch-jazzige. Auf geducktes einander Umkreisen und Auflaueren im Pianissimo explodiert immer wieder ein wie von einer Sehne geschnelltes gemeinsames Losspringen.

Danach konnte die Pause nicht schnell genug vergehen – so gespannt wartete man inzwischen darauf, welche Funken diese Musikzauberer – nun endlich alle fünf zusammen - aus Johannes Brahms Quintett für Klarinette und Streichquartett h-Moll op. 115 schlagen würden.

Es waren Funken aus Eis. Die Transparenz der Wiedergaben dieses Abends verlockt zu Eis-Metaphern – aber es waren bei aller Brillanz Interpretationen, die ans Innerste rührten. Allein das kleine Eingangsmotiv der zwei Geigen bewegte vom ersten Mal an in seiner schlichten Schönheit. Wenn es aus den Abgründen des ersten Satzes immer wieder auftauchte, war es geradezu ein Lichtblick voll Trost und Wärme: Blicke aus dem Inferno ins Paradies. Geradezu psychedelisch war in dieser Wiedergabe der zweite Satz mit dem rezitativischen Mittelteil, einem Klarinetten-Solo, in dem der Klarinettist Reto Bieri den Klang seines Instrumentes mit den Streichinstrumenten geradezu verschmelzen ließ.

Zugabe hat danach natürlich keine gepasst. Aber am liebsten hätte man ohnehin den gesamten Abend gleich noch einmal erlebt.

Die Konzerte der Stiftung Mozarteum im Großen Saal und im Wiener Saal - www.mozarteum.at

 

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