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Da kommt einfach alles in Bewegung

CAMERATA / GRUBINGER

22/12/14 Wenn der FC Bayern Heimspiel hat, jubelt Martin Grubinger. Wenn Martin Grubinger ein Heimspielpiel hat, jubelt Martin Grubinger hat, johlt das Salzburger Festspielhaus – und das zu Recht. Sieg auf der ganzen Linie.

Von Christiane Keckeis

Grubinger lud zu einem „Best of“ – Programm, gemeinsam mit seinem kongenialen Schlagwerker-Team, mit dem Schlagzeugkollegen Manuel Hofstätter und der inspirierten Camerata Salzburg unter John Axelrod – zugleich das Abschiedsprogramm einer mehrjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit.

Auch wenn „Best of“ eher an den Abgesang alternder Ikonen erinnert oder auch an reißerische Marketingstrategie: die ausgewählten Werke bieten jede Möglichkeit, die Qualitäten aller Mitwirkenden in feingeschliffenen Facetten funkeln zu lassen.

Am Beginn steht Charles Ives geheimnisvolles Werk „The unanswered question“, ganz im Dunkel des Festspielhauses, die drei musikalischen Schichten räumlich getrennt: auf der Bühne die vier Holzbläser, die fragende Trompete im Zuschauerraum und das Streichorchester vor den Türen im Foyer – das wirkt mystisch und berührt – auch wenn das Hustenkonzert der Stille Konkurrenz macht. Aber nicht einmal den Hustenden gelingt es, die Spannung aufzulösen. Axelrod lenkt zurückhaltend, man spürt ihn kaum, dennoch entstehen Präzision und Zusammenhang.

Avner Dormans Schlagzeugkonzert „Spices, Perfumes, Toxins!“ für zwei Schlagzeuger und Orchester geriet zum ersten Höhepunkt des Abends: ein Spiel mit Zeit und Raum für die Sinne, das Martin Grubinger und Manuel Hofstätter virtuos mit allem erfüllten, was Faszination auszulösen vermag: einem Feuerwerk aus Präzision, traumwandlerischer Sicherheit, Emotion, Sinnlichkeit im Klang, Ausloten der Gegensätze, tänzerischer Beweglichkeit, Kraft und stupender Lebendigkeit. Dazu tritt das Orchester als sensibler Klanggeber: weich, verträumt, gleitend, aber auch streng, scharf, akzentuiert. Das Werk pendelt zwischen den Gegensätzen und erhält dadurch eine Spannung, die bis in die Feinheiten ausgeleuchtet wird.

Danach hat es Bernsteins West Side Story- Zusammenschnitt fast ein bisschen schwer, so bekannt, schon unzählige Male gehört – aber hier gelingt es Grubinger mit seiner Schlagwerker-Truppe mit unermüdlicher Lust an der Musik und schier grenzenloser Vitalität neue Akzente zu setzen. Axelrod führt die Camerata straight, das erzeugt miteinander einen guten Drive, das Orchester wird aus seiner Bravheit entlassen und nutzt das. Und das Publikum geht mit, es gibt Zwischenapplaus für das Trommelsolo und Bravostürme nach dem fulminanten Finale mit „I like to be in America“.

Zoltán Kodálys „Tänze aus Galánta“ entführen nach der Pause mit ungarischen Weisen in ein anderes Lebensgefühl. Axelrod kostet die Spannung des Stils nicht bis ins letzte aus, da wäre bei so manchen Csardas-Anklängen wohl mehr Tempogestaltung möglich gewesen. Das wirkt dann wieder ein bisserl brav. Aber die solistischen Qualitäten innerhalb des Orchesters machen vieles wieder gut: allen voran die herrlichen Klarinettensoli, die die Stimmung stets genau treffen – und damit Herzziehen verursachen.

Auch die Tangos á la Piazolla gehen unter die Haut– und hier trifft Axelrod den Stil genau und entfesselt das Orchester. Sensationell wie sich die Schlagwerkgruppe rund um Grubinger einbringt, wundervoll, wie sich Marimba, Klavier und Kontrabass zusammenfinden – und überhaupt sei an dieser Stelle einmal der Pianist hervorgehoben, der großartig und stilsicher präsent ist.

Und dann Feuerwerk-Finale: Wolf Krescheks herrlich bildhafte Jazz Suite und die Balkan Grooves, die speziell für Martin Grubinger und die Camerata geschrieben hat. Als geschickter Komponist und Arrangeur lässt er Raum für alles, was die Musikzierenden besonders gut können – von der Kontrabassistin Burgi Pichler mit der elektrisierenden Soulstimme bis zum komischen Talent des Martin Grubinger sen., vom stupenden Trommelsolo Martin Grubinger jun. über die Jazztalente in den Posaunen, Trompeten und Hörnern (!) bis zum Marimbapianissimo findet alles und jedes seinen Platz – und das mit Niveau. Auch das Publikum darf mitklatschen und mitsingen, John Axelrod führt es ebenso klar und charmant wie sein Orchester, dem er inspirierend, aber präzis und unprätentiös voransteht. Letztlich löst sich alles ineinander auf, die Bläser marschieren aus und ein, die Streicher tanzen auf der Bühne, die Stimmung ist prächtig und der Jubel scheint kein Ende zu nehmen. Ein Heimspiel eben…

Das Konzert am Freitag (19.12.) war Teil einer Tournee, die Grubinger und die Camerata bisher nach München, Vaduz, Erlangen und Zürich führte. Im Jänner folgen Auftritte in Hamburg, Hannover, Bremen , Wien (13.1.) und Regensburg – www.camerata.at

Bild: hwww.harrisonparrott.com / Felix Broede

 

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