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Zwei kongeniale Märchenerzähler

STIFTUNG MOZARTEUM / SAY / ALTSTAEDT

07/10/15 Zum kammermusikalischen Saisonauftakt bot die Stiftung Mozarteum zwei Musiker auf, die für Leidenschaft und ungebremste musikalische Hingabe stehen. Fazil Say und Nicolas Altstaedt überboten alle Erwartungen. Vier Sonaten für Violoncello und Klavier spannten einen Bogen durch die Musikstile. Der eigentlich große Bogen des Abends war aber das implizite Motto „Musik ist Gefühl“.

Von Christiane Keckeis

Ist das Jazz? Fazil Say beginnt den ersten Satz Debussys Sonate d-Moll mit weichem farbigem Anschlag. Nicolas Altstaedt antwortet mit gelassener Freiheit. Und dann erzählen die beiden die erste Geschichte des Abends, Hand in Hand geht das. Spielen einander zu, spinnen den Faden weiter und schmücken aus in allen verfüg- und vorstellbaren Farben.

Die beiden Herren sind nicht nur erstklassige Performer, Sie stehen souverän über allen technischen oder musikalischen Schwierigkeiten und entlocken ihren Instrumenten alle Möglichkeiten des Ausdrucks. Was so formuliert trocken klingt, wird im Konzertsaal zu lebendiger Leichtigkeit, duftig, poetisch, clownesk. Eine durchaus impressionistische Geschichte.

Geschichten anderer Art erzählt Fazil Say als Komponist: „Vier Städte“ betitelt er seine Sonate für Cello und Klavier. Vier Charaktere, wie sie verschiedener nicht sein könnten: In „Sivas“ dominiert das Traditionelle, das in einer vom Cello intonierten Melodie mündet, die Altstaedt mit dem Klang einer tiefen Flöte färbt. Nicht nur hier staunt der Zuhörer, wie vielfältig der Cellist sein Instrument zum Klingen bringt. „Hopa“ übernimmt den Rhythmus eines schnellen volkstümlichen Tanzes. Hier scheint man gar, nach hummelflugähnlichem Beginn, auf der Bühne dahinrocken. Emotion ist alles in den vier Sätzen, zutiefst berührend, dann wieder aufbrausend, energetisierend. Nicht selten schäumt das Klavier über, leider auch über das weniger lautstarke Cello.

Die Schilderung von „Ankara“ mit verfremdetem Klavierklang, archaischem Celloton, harten Schlägen und scharfem Bogen hinterlässt den Eindruck eins beklemmenden atemlosen Grau, das im vierten Satz „Bodrum“ dramaturgisch geschickt durch swingenden Jazz wieder aufgefangen wird. Und jazzen können die beiden – wie alles andere auch – wirklich gut. Das Publikum liebt es und entlässt die Musiker mit johlender Freude in die Pause.

Dann wieder Geschichten: Janacek komponierte drei „Märchen“ für Cello und Klavier: „Pohadka“. Und auch hier: Neugierde, Interesse, keine Scheu vor dem Gefühl. Klavier und Cello üben eine musikalische Erzählkunst, der sich der Zuhörer kaum entziehen kann. Say und Altstaedt vermeiden es, einfach nur schön zu spielen – und werden genau deshalb niemals banal. Wie Say ganz am Atem spielt, dann wieder Altstaedt mit seinen Farben Raum lässt: zwei kongeniale Märchenerzähler.

Ein Traum, der zum Albtraum wird – oder doch Realität in Musik gefasst: Dmitri Schostakowitschs Sonate d-Moll. Say und Altstaedt gleiten in den Anfang hinein, sie nehmen die Zuhörenden fast unmerklich mit und plötzlich sind wir, ein bisschen verwundert, ganz woanders. Das Gefühl ist schal, wo es vorher noch heimelig war. Altstaedt setzt alles sensibel in Farben um, und auch das Klavier zaubert Farben. Immer wieder staunt man über Fazil Says variablen Anschlag. Sehr angezogene Tempi in den schnellen Sätzen spiegeln den energischen Puls der beiden Musiker, der vorantreibt und dabei doch ganz im Schlag ist. Ganz im Gegensatz dazu die emotionale Fassungslosigkeit, die innere Leere und Traurigkeit des Largo, die Altstaedt mit unbeschreiblichem Ton formuliert – zum Sterben schön. Oder schrecklich. So soll Musik sein. Zum Fühlen. Standing ovations – was sonst.

Bilder: Marco Borggreve (1); fazilsay.com (1)

 

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