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Als die Christen-Welt noch in Ordnung war

REST DER WELT / MASSING / BERTA-HUMMEL-MUSEUM

20/03/13 Wer bei dem Namen Berta Hummel zuerst an Heiligenbildchen und Kinderfiguren denkt, denkt zwar nicht falsch, aber zu kurz. Im Berta-Hummel-Museum ist das Werk der malenden Nonne aus Niederbayern neu zu beurteilen.

Von Hans Gärtner

Die zweifellos zeichnerisch talentierte Franziskanerin aus Niederbayern mit dem klösterlichen Namen Maria Innocentia (1909-1946) bevorzugte selbstverständlich religiöse Motive. Sie pinselte Dorfkirchen und Brauchtums-Szenen ebenso auf Leinwand oder Papier wie die Madonna und das Jesuskind. Serieneinlegebildchen bettelnder und betender Landkinder vom Schlag  der Heinrich Waggerl'schen „Fröhlichen Armut“ wurden, als Fleißbilletts, zu beliebten Gaben der Katecheten und Handarbeitslehrerinnen an die „braven“ Christenkinder. Von Connaisseurs skeptisch beäugter süßlicher Wandschmuck, der aus Herrgottswinkeln in Bauern- und Bürger-Stuben noch in den 1950er Jahren nicht wegzudenken war, ließ die Sießener Klosterfrau als eine der letzten Künderinnen einer verebbenden Welle traditionsgebundener naiv gläubiger katholischer Lebenseinstellung begreifen.

Dabei ist Adolf Hummel, 70jähriger Neffe der vor allem durch das Markenzeichen „Hummelfiguren“ weltweit bekannt gewordenen Tante aus dem Marktflecken Massing seit zwei Jahrzehnten darauf bedacht, seine berühmt gewordene Ahnin nicht ausschließlich dem religiösen Naiven zuzuordnen. Seit zwei Jahrzehnten führt er das „Berta-Hummel-Museum im Hummelhaus“. Aber den Schwerpunkt Hummel`scher Kunstproduktion – die von 1934 an sechs Jahrzehnte lang vom nordbayerischen Oeslau bei Coburg weltweit bis in die USA weltweit vertriebenen „Hummelfiguren“ vor allem – kann er natürlich nicht verschieben. Aber es gibt von Berta Hummel beispielsweise auch exzellente Blumenbilder impressionistischen Flairs.

Die Vermarktung Hummel`scher Sujets hat dem Frauenkloster Sießen/Bad Saulgau, Württemberg ohne seine malende Nonne schon in den Jahren des  nationalsozialistischen Regimes das Überleben gesichert. Auf rund 2000 Objekte schätzt man Berta Hummels Nachlass.

Aus einer amerikanischen Sammlung erhielt das Berta-Hummel-Museum „einen nicht unerheblichen Teil, unter anderem die sogenannte Kalenderblattserie“, sagt Adolf Hummel, die ihm zum Ankauf angeboten wurde. 38 Blätter, die das Massinger Berta-Hummel-Museum seit neuestem sein eigen nennen darf, stammen aus dem Goebel-Hummel-Archiv in Rödental, das 2011/12 aufgelöst wurde: in der Hauptsache Vorlagen für „Hummelfiguren“. Im Schutz einer Glasvitrine stehen etwa der mutige kleine Skiläufer und der possierlich anmutende Postbote mit dem riesigen versiegelten Briefkuvert, das mit Sicherheit freudige Nachrichten an den Adressaten birgt. An der Wand daneben: die – erstaunlich großformatigen – mit kühnem Kohlestift hingeworfenen Vorlagen für diese und weitere Figuren. Die Zeichnungen sind um einiges kraftvoller als die nach ihnen angefertigten Nippes. Als bewundernswerte zeichnerische Werke weisen sie eine unverwechselbare Handschrift auf. Man muss heute bedauern, dass es Berta Hummel versagt blieb, ihr bildnerisches Talent, das sie im Kloster mit pädagogischem Eifer pflegte  und an Schülerinnen weitergab, zu reifer Blüte zu entfalten. Sie starb, wohl erst am Beginn ihrer Künstler-„Karriere“, 37jährig an Tuberkulose.

Eine weitere Quelle für Neuerwerbungen tat sich dem Massinger Museumsleiter im Nachlass der Ende 2011 im Alter von knapp 100 Jahren an ihrem letzten Wirkungsort Passau verstorbenen Lieblingsschwester Bertas, Centa, auf. Das Museum besitzt jetzt eine Reihe von Schriftproben, Musterzeichnungen und Glückwunschkarten-Entwürfen – eine schöne Verbindung zu den Vignetten, die Berta Hummel zum Beispiel ihren handgeschriebenen Briefen ins geliebte Elternhaus beigab: reizender Blattschmuck in Buntstift oder Wasserfarben, wobei die Motive durchwegs eher aus der Natur denn aus der sakralen Welt stammen.

Die wiederentdeckten Hummel-Werke reihen sich in den bereits reich und vielfältig vorhandenen Museums-Schatz ein. Sie sind derzeit Gegenstand einer Ausstellung, die voraussichtlich bis Anfang 2014 gezeigt wird. Als Leihgabe des Klosters Sießen zu sehen: Berta Hummels Illustrations-Entwürfe zur bayerischen Schulbibel des Bischofs Michael Buchberger. Um diese 1933/34 entstandenen Bleistift-Aquarelle gibt es einen Briefwechsel zwischen der Ordens-Oberin und dem Bischof. Die Ordensfrau empfahl eine solide künstlerische Ausbildung der damals noch jungen Nonne, wovon der Bischof aber nichts wissen wollte. Hummels Entwürfe wurden schließlich doch nicht umgesetzt.

Berta Hummel hatte bereits vier Jahre vor ihrem Klostereintritt 1931 an der Münchner Akademie für Angewandte Kunst studiert und ihre angeborenen Fähigkeiten im Landschafts-, Porträt- und Sachzeichnen weiterentwickelt. Zartheit des Empfindens, Beschaulichkeit und leisen Humor konnte „die Hummel“ in ihre Kindergesichter, erst recht in leider selten anzutreffende Porträts,  etwa das ihrer Lieblingsschwester Centa (Öl, 1930) oder das des Dorfschusters Johann Huber (Rötel, 1928) hineinlegen. Die Bibel-Illustrationen waren wirklich nicht ihre Stärke.

„Gesucht – Gefunden. Wiederentdeckte Werke von Berta Hummel“, bis Januar 2014 im Berta-Hummel-Museum im Hummelhaus Massing/Rott – www.hummelmuseum.de
Bilder: dpk-Hans Gärtner

 

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