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Leipzig liest, fliest und sprießt

REST DER WELT / LEIPZIGER BUCHMESSE

18/03/13 Nicht das Geschäft wie in Frankfurt, sondern das Buch stehe in Leipzig im Mittelpunkt. Die Buchmesse, die allmählich an die Grenzen ihrer Kapazität stöß, ist am Sonntag (17.3.) zu Ende gegangen.

Von Werner Thuswaldner

„Leipzig liest“ heißt jeweils der Slogan. In Leipzig herrschte diesmal Winter. Schnee und minus fünfzehn Grad am Eröffnungstag. Die Zugvögel, heißt es, sollen auf ihrem Weg aus dem Süden wieder umgedreht haben. Auf Plakaten in der Stadt war zu lesen: „Leipzig niest“. Der Slogan hat noch andere Abwandlungen erfahren. Den am wenigsten geglückten dichteten die Fliesenleger der Stadt: „Leipzig fliest“. Die Gärtner mussten ihre Frühlingskampagne verschieben. Sie sollte lauten: „Leipzig spießt“. Dagegen werden die Feierlichkeiten zur Erinnerung an die Völkerschlacht von Leipzig vor 200 Jahren, unter dem Motto „Leipzig schießt“ pünktlich stattfinden.

Natürlich gab es wieder einen Besucherrekord. 170.000 Interessierte kamen in die Hallen der Messe. Man muss sich fragen, wie lang diese Steigerung noch weitergehen kann, bis die Messe an die Grenzen ihrer Kapazität angelangt ist. Schon jetzt kommt es an Kreuzungspunkten der Verkehrswege, dort wo Ströme von Menschen aufeinandertreffen, zu bedrohlichen Massierungen. Bestimmte Verbindungen werden dann gesperrt und Oberlichten zur Frischluftzufuhr geöffnet. Ob sich so auf Dauer der Ausbruch von Paniken verhindern lassen wird, bleibe dahingestellt.

Auffallend viele Schulklassen werden durch die Messe geschleust. Sie sind gut für die Statistik. Dass viele der Schülerinnen und Schüler die Messe wieder verlassen, ohne mit einem Buch in Berührung gekommen zu sein, liegt an den Massen, die sich durch die Gänge zwängen. Wie schon in den Jahren zuvor, beleben hunderte maskierte Gestalten das Bild. Sie haben nichts mit einem etwa verlängerten Karneval zu tun, sie entspringen den Mangas, einer japanische Bildgeschichten-Literatur, die sich unter jüngeren Leuten großer Beliebtheit erfreut.

Leipzig liest. Das ist wahr. In Abständen von fünf Minuten ist aus irgend einer Ecke Applaus zu hören. Dort ist gerade eine Debatte oder eine Lesung zu Ende gegangen. Die Toncollage, die sich für den Vorbeiflanierenden ergibt, hört sich wie Literatur der neuesten Art an: Hier eine Lyrikzeile, dort ein Satz über die israelische Siedlungspolitik, da die Feststellung eines ermittelnden Kommissars, dort der dramatische Hilferuf einer Frau. Amos Oz begeistert eine Zuhörergemeinde, auch Michael Krüger hat ein Publikum, eines aus jungen und schon etwas älteren Frauen, die lauschend an seinen Lippen hängen. Michail Gorbatschow fühlte sich gesundheitlich nicht gut genug. Deshalb fand die Vorstellung seiner Biografie in einer Kirche statt.  Gelesen wird aber nicht nur auf der Messe, sondern auch in der Stadt. Kneipen, Geschäfte, Galerien, sogar Parteizentralen laden Autorinnen und Autoren ein.

Journalisten erwarten, dass das traditionelle Buch vom E-Book abgelöst wird. Hier soll angemerkt werden dass das E-Book in Leipzig überhaupt nicht auffiel. Es soll inzwischen zwei Prozent des Umsatzes ausmachen.

Davon, sich völlig unvorbereitet ins Gewühl der Messe zu stürzen, muss abgeraten werden. Man würde ziellos im Gedränge mitschwimmen und irgendwo stranden, wo man bestimmt nicht hinwollte. Es gibt Orientierungshilfen, die es einem erleichtern, bestimmte Verlagsstände anzusteuern. Ein gutes Ziel ist die Insel der Österreicher. Um das Areal des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels mit einem Cafe und Bücherborden vieler kleinerer Verlage gruppieren sich andere österreichische Aussteller, die ein bisschen mehr Präsentationsfläche aufweisen.

Das Volk der Büchermenschen ist im Allgemeinen friedlich. Ein Forum für Begegnungen und Neuentdeckungen ist die Leipziger Buchmesse allemal.

 

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