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Mit dem Heissluftballon in eine bessere Welt

REST DER WELT / WIEN / LA FANCIULLA DEL WEST

14/10/13 Manche Werke tauchen jahrelang nicht auf den Spielplänen der internationalen Opernhäuser auf, dann aber plötzlich geballt. Zum Beispiel Zimmermanns „Die Soldaten“ oder aktuell Giacomo Puccinis „La fanciulla del West“, das in den Spielplan des Hauses am Ring zurückgekehrt ist und im nächsten Juni in Zürich neu inszeniert wird.

Von Oliver Schneider

043Dankenswerterweise, muss man für einmal sagen, verzichtet Staatsoperndirektor Dominique Meyer auf eine Neuinszenierung der musealen, beim Publikum beliebten „La Bohème“, „Tosca“ oder „Madame Butterfly“ mit ihren Ohrwürmern, sondern zwingt es, sich mit einem über weite Strecken moderneren, weniger bekannten Puccini auseinanderzusetzen. Die Entdeckung lohnt sich, zumal wenn im Graben – wie am Freitagabend (11.10.) – das in Bestform musizierende Staatsopernorchester unter Franz Welser-Möst spielt. 1998 hat er das Werk erstmalig in Zürich dirigiert. Damals war er kurzfristig für Riccardo Chailly eingesprungen. Jetzt konnte er sich das Werk nochmals profund erarbeiten. Wunderbar lässt er die raffinierte Partitur in allen ihren Farben erklingen, die immer wieder die Einflüsse von Claude Debussy (z. B. „Gollywog’s Cakewalk“) und Richard Strauss sowie amerikanisches Kolorit erkennen lässt. In Puccinis „Fanciulla“ kommt dem Orchester eine dominierende Rolle zu, und diese nehmen Franz Welser-Möst und das groß besetzte Staatsopernorchester mit Wonne und schwelgerischem Genuss ein, ohne dabei die Solisten zuzudecken.

044Inszeniert hat diese Neuproduktion Marco Arturo Marelli. Kein Bilderstürmer und wohl gerade deshalb so beliebt in der Staatsoper, wo die Repertoiretauglichkeit einer Aufführung zentral ist. Der Plot besteht aus der üblichen Dreiecksgeschichte zwischen dem Sopran, der den Tenor liebt und dessen Widersacher ein Bariton ist. Eigentlich spielt er im Goldgräber-Ambiente in Kalifornien im 19. Jahrhundert. Marelli siedelt die Handlung im Heute – die Kostüme von Dagmar Niefind sehen nicht so aktuell aus – in einem Container-Camp an. Dieses hat vor allem im ersten Akt mit dem Auftritt vieler Klein- und Kleinstrollen sowie dem Chor den Nachteil, dass die Bühne verstellt ist und kaum Möglichkeit zum Agieren bietet. Der zweite Akt spielt dann im Wohnwagen Minnies, was wohl im Fernsehen besser wirkte als live im Haus, wenn man weiter hinten im Parkett saß.

Den Fernsehtest hat die neue Produktion schon bestanden. Auch im Haus selbst lebt diese solide Umsetzung von Marco Arturo Marelli schlussendlich von den Persönlichkeiten der drei Protagonisten. Vor allem der zweite Akt, wenn die Camp-Wirtin Minnie den gesuchten Räuber Dick Johnson in ihrem Wohnwagen versteckt und später mit dem Sheriff Jack, ihrem Verehrer, um sein Leben pokert, ist sehr intensiv. Hollywoodmäßig wirkt der Schluss, wenn Minnie ihren Dick noch einmal vor dem Tod rettet und mit ihm im Heißluftballon in ein neues Leben starten kann.

045Der musikalische Erfolg der Premierenserie war fast vorprogrammiert: Nina Stemme mit ihrem Wagner-gestählten Sopran ist als Minnie eine Idealbesetzung, Jonas Kaufmann gibt einen strahlendem Dick Johnson, dem von Anfang an alle Sympathien gehören, und Tomasz Konieczny als Sheriff Rance punktet mit seinem metallischen Heldenbariton für einmal im italienischen Fach. Nur an der Diktion muss er noch arbeiten. Das Ensemble des Hauses und der Chor (Einstudierung: Thomas Lang) leisten ihren Teil für einen gelungenen Opernabend.

Bleibt die Frage der Repertoiretauglichkeit des Werks. Wenn Kaufmann und Stemme in der Premierenserie singen, braucht man sich um den Kartenverkauf keine Sorgen zu machen. Die doppelte Anzahl an Aufführungen würde sich mühelos verkaufen lassen, und festspielartige Preise wie am vergangenen Freitag in einer Benefizveranstaltung sind auch kein Problem. Doch was passiert, wenn eines Tages Frau X und Herr Y als Minnie und Dick auf dem Programmzettel angekündigt werden? Ob die „fanciulla“ dann auch noch zieht? Die Inszenierung ist brav gemacht, lebt aber vor allem von den Persönlichkeiten der drei Protagonisten. Die Deutung von Barrie Kosky im nächsten Juni in Zürich wird wohl mehr zu reden geben.

Weitere Vorstellungen am 14.und 17. Oktober - www.staatsoper.at
Bilder:  Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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